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Das Haus des Windes

Das Haus des Windes

Titel: Das Haus des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Erdrich
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enttäuscht.
    Okay, sagte Sonja. Jetzt hör mal zu. Wo dieses Geld herkommt, ja? Die Leute werden es zurückwollen. Die gehen über Leichen, um es wiederzukriegen, verstehst du?
    Ich darf es keinem sagen. O Mann.
    Aber kannst du das? Ich kenne keinen Typen, der was für sich behalten kann.
    Ich schon.
    Selbst deinem Dad gegenüber?
    Klar.
    Und Cappy?
    Sie merkte, wie ich zögerte.
    Den würden sie sich auch vornehmen, sagte sie. Oder ihn töten. Also halt ja den Rand. Schwör’s beim Leben deiner Mutter.
    Sie wusste, was sie da sagte. Sie wusste, ohne hinzusehen, dass mir die Tränen kamen. Ich blinzelte. Okay, ich schwör’s.
    Die Sparbücher müssen wir vergraben.
    Wir bogen in einen Feldweg ein und fuhren zu dem Baum, den die Leute den Galgenbaum nennen, einer riesigen Eiche. Die Sonne war in ihrem Geäst. Gebetsfahnen hingen an den Zweigen, bunte Stofffetzen. Rot, blau, grün und weiß; nach dem, was Randall sagte, die alten Anishinaabe-Farben für die Himmelsrichtungen. Einige Fahnen waren verblichen, andere neu. Das war der Baum, an dem sie jene Vorfahren gehängt hatten. Keiner der Mörder hatte je dafür vor Gericht gestanden. Ich blickte auf die Felder ihrer Erben, die schon voller junger Pflanzenwaren. Sonja nahm den Eiskratzer aus ihrem Handschuhfach, und wir legten die Sparbücher in die Geldkassette. Sie steckte den Schlüssel in die Vordertasche ihrer Jeans.
    Merk dir das Datum.
    Es war der 17. Juni.
    Wir verfolgten die Bahn der Sonne bis zu dem Punkt am Horizont, wo sie untergehen würde, und gingen auf einer geraden Linie von diesem Punkt weg fünfzig Schritte in den Wald. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, nur mit Hilfe des Eiskratzers ein tiefes Loch für die Geldkassette auszuheben. Aber am Ende legten wir die Kiste rein, schütteten Erde drüber, machten die Grassoden wieder fest und bestreuten sie mit Laub.
    Nichts zu sehen, sagte ich.
    Wir müssen uns die Hände waschen, sagte Sonja.
    Im Straßengraben war ein bisschen Wasser. Das benutzten wir.
    Ich verstehe ja, dass ich dichthalten muss, sagte ich auf dem Heimweg. Aber ich will solche Schuhe wie Cappy.
    Sonja schielte zu mir rüber und hätte mich fast dabei erwischt, wie ich eine ihrer Brüste betrachtete.
    Klar, sagte sie. Und wie würdest du erklären, wo du das Geld dafür herhast?
    Ich würde sagen, ich hätte einen Job an der Tanke.
    Sie grinste. Hättest du gern einen?
    Freude überwältigte mich so heftig, dass ich kein Wort herausbrachte. Bis zu dem Augenblick hatte ich selbst nicht gewusst, wie sehr ich mich danach sehnte, aus dem Haus wegzukommen und irgendwo zu arbeiten, wo ich mit anderen Menschen reden konnte, einfach irgendwelchen Leuten, die nicht vor meinen Augen vor sich hin starben. Es machte mir Angst, dass ich es plötzlich so sah.
    Und wie, verdammt!, sagte ich.
    An der Tanke wird nicht geflucht, sagte Sonja. Da repräsentierst du was.
    Okay. Wir fuhren ein paar Meilen. Ich fragte, was ich repräsentieren würde.
    Das stammesgeführte marktwirtschaftliche Unternehmertum. Die beobachten uns genau.
    Wer beobachtet uns?
    Die Weißen. Die missgünstigen Weißen, meine ich. Wie diese Larks, weißt du, denen Vinland gehört hat. Er war mal da, aber er ist nett zu mir. Er ist eigentlich nicht übel.
    Linden?
    Ja, der.
    Bei dem solltest du aufpassen, sagte ich.
    Sie lachte. Whitey hasst ihn. Wenn ich nett zu ihm bin, wird er so was von eifersüchtig.
    Warum willst du das denn?
    Plötzlich war ich selbst ein bisschen eifersüchtig. Sie lachte wieder und sagte, Whitey müsste man ab und zu zeigen, wo es langging. Er denkt, ich wäre sein Eigentum.
    Ach so.
    Mir war das peinlich, aber Sonja sah mich plötzlich scharf an, mit einem verschlagenen Grinsen wie dem auf dem Gesicht der Babypuppe. Dann sah sie wieder weg und grinste immer noch manisch beglückt vor sich hin.
    Tja. Denkt, ich wär sein Eigentum. Aber der wird sich noch umgucken, oder? Hab ich recht?
    * * *
    Soren Bjerke, Spezialagent des FBI, war ein stiller, hagerer Schwede mit weizenfarbener Haut und ebensolchem Haar, einer schmalen, sonnenverbrannten Nase und großen Ohren. Seine Augen konnte man hinter der Brille nie so richtig sehen – sie war immer verschmiert, wahrscheinlich mit Absicht. Er hatte ein hundeähnliches Hängegesicht und ein feines, bescheidenes Lächeln. Er bewegte sich wenig. Diese Angewohnheit, die er hatte, vollkommen still und doch wachsam zu warten, erinnertemich an den Ajijaak. Seine knochigen Hände lagen reglos auf dem Küchentisch, als ich

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