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Das Haus in den Dünen

Das Haus in den Dünen

Titel: Das Haus in den Dünen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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gleichgültig.
    »Sie nimmt Beruhigungsmittel«, erklärte Inga Holt. »Auf Naturbasis, versteht sich.« Sie zeigte auf ihren Bauch.
    Trevisan verstand.
    »Was führt Sie zu uns?«
    Trevisan ging zielstrebig auf den Wandschrank zu und griff nach einem Bild. Das Bild mit drei Jungs in kurzen Hosen. »Wer ist das auf dem Bild und wo wurde es gemacht?«
    Inga nahm ihm das Bild aus der Hand und zeigte es Martina Brunken. Sie warf einen langen Blick darauf. »Der Junge hier links, das ist Willo als Jugendlicher.« Ihre Stimme klang hohl und leblos. »Das war im Ferienlager. Irgendwo auf einer Insel vor der Küste. Er war damals fünfzehn, glaube ich.«
    »Wissen Sie, wann?«
    »Nein, keine Ahnung.«
    »Und wer sind die anderen?«
    »Wir haben nie darüber gesprochen. Ich habe es in seinen Sachen gefunden und aufgestellt. Er war sogar ein wenig böse darüber. Aber ich sagte, dass unsere Fotos aus Kindertagen die Wohnung zur Heimat machen. Er hat es akzeptiert. Warum ist das Bild wichtig?«
    Trevisan öffnete die Verriegelung des Glasrahmens, nahm das Foto heraus und hielt die Rückseite vor das Fenster. Die geschwungene, altmodische Schrift war nur noch schwach zu erkennen: Spiekeroog, Mai 1981.
    »Ich möchte es gerne mitnehmen. Ich bringe es auch ganz sicher wieder zurück.«
    »Warum ist Willos Bild wichtig?«, fragte Martina Brunken noch einmal.
    »Vielleicht zeigt es uns seinen Mörder«, erwiderte Trevisan ernst.

 
     
39
    Sie war mit dem Zug bis nach Wilhelmshaven gefahren und hatte bei der Europcar-Niederlassung in der Peterstraße einen Kleinwagen angemietet. Über Jever, Wittmund und Esens fuhr sie nach Bensersiel. Im Hotel Vier Jahreszeiten in der Nähe des Fährhafens mietete sie sich ein Einzelzimmer. Die Fähre nach Langeoog ging am nächsten Morgen um zehn Uhr.
    Das Hotel war voller Gäste vor allem aus den südlichen Gefilden Deutschlands, die ihren Urlaub an der Nordseeküste genossen. Sie mischte sich unter die Touristen, aß im Restaurant Fisch und machte anschließend einen Abendspaziergang. Sie wusste, sie wirkte vollkommen unbeschwert und niemand wäre auf die Idee gekommen, dass der Tod ihr stiller Begleiter war.
    Am Abend öffnete sie das Kombinationsschloss ihrer Aktentasche und holte das alte in Leder gebundene Buch hervor. Sie las die Eintragungen, die den Mann betrafen, der mittlerweile auf Langeoog einen kleinen Lebensmittelmarkt inmitten des Inselstädtchens leitete. Ihn hatte sie sich bis zum Schluss aufgespart. Nicht weil sie ihn besonders hasste, er war genauso schuldig wie alle anderen es gewesen waren, aber diese Aktion würde besonders heikel werden. Es gab nur einen Weg auf die Insel und wieder zurück. Deshalb musste sie diesmal besonders vorsichtig agieren. Einen weiteren Fehler konnte sie sich nicht leisten. Sie musste auf die richtige Gelegenheit warten. Vielleicht würde es ein paar Tage in Anspruch nehmen, bis der richtige Augenblick gekommen war. Aber sie hatte Zeit, sie hatte ihr Leben diesem einen Zweck gewidmet. Und selbst, wenn es am Ende kein Entkommen gäbe, so hätte sich ihr Lebenszweck erfüllt. Die Schuld wäre beglichen. Und wie hieß es so schön, irgendwann wurde einem alles vergolten, was man im Leben tat. Gutes oder Böses.
    Sie nahm die Pistole aus der Reisetasche, zerlegte sie in drei Einzelteile und reinigte das Rohr, den Abzug und den Verschluss. Sie gab sich Mühe. Vater hatte immer gesagt, ein gut gereinigtes Gewehr ist dir stets ein treuer Begleiter. Den Spruch hatte sie damals belächelt, weil doch im Volksmund der Hund als des Menschen treuer Begleiter galt. Doch mittlerweile wusste sie, was ihr Vater damit hatte ausdrücken wollen.
    Kurz nach elf Uhr löschte sie das Licht. Sie schlief einen tiefen und traumlosen Schlaf. Das Träumen hatte sie Vorjahren bereits verlernt.
    *
    Trevisan hatte Anne Jensen gefragt, ob sie ihn nach Hannover zum LKA begleiten wollte. Sie hatte zugestimmt.
    »Was willst du in Hannover?«, hatte ihn Monika gefragt.
    »Ich habe gestern Abend mit einem alten Kollegen von mir telefoniert«, erwiderte Trevisan und zeigte ihr einen Umschlag. »Er muss mir da bei einer Sache helfen.«
    »Und schicken kannst du es nicht?«
    »Glaubst du, ich will die Antwort erst im nächsten Jahr?!«
    Anne lächelte.
    »Kennst du den Weg?«, fragte er sie, als sie in der Garage vor dem Opel standen. Sie nickte, und Trevisan warf ihr den Autoschlüssel zu.
    Anne Jensen setzte sich hinters Steuer. Sie fuhr langsam und vorsichtig. »Ganz schön viel los

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