Das Haus in den Dünen
Fenster. Draußen wiegten sich die Birken in der heftigen Brise, die seit Mittag landeinwärts wehte und bereits die ersten dunklen Wolken des Tages ins Wangerland gebracht hatte. »Unsere Opfer waren keine zufälligen Ziele. Der Mörder hat ihren Tod gewollt. Und er hat sich gut darauf vorbereitet. Er hat sie beschattet und dann zugeschlagen, als er den Zeitpunkt für gekommen hielt. Er ist gut ausgestattet. Bei Kropp benutzte er ein Gewehr, um ihn kampfunfähig zu machen. Bei den drei anderen Morden war er dicht an seinen Opfern dran, damit er die Pistole benutzen konnte. Er stoppte Brunkens LKW. Er hätte ihm auflauern können, aus der Ferne, meine ich. Aber er hat ihn studiert. Er wusste, dass Brunken anhalten würde, wenn er einen Unfall vortäuschte. Und diesen Aspekt hat er eiskalt ausgenutzt. So wie wir Kropp kennen gelernt haben, war er ein ganz anderer Typ als Willo Brunken. Er hätte möglicherweise nicht gestoppt, wenn vor ihm ein Wagen im Graben gelandet wäre. Also nutzte unser Täter die Gelegenheit auf dem Betriebshof der Firma. Und Lohmann ging in der Kneipe aus und ein. Es war ein Leichtes, ihm aufzulauern.«
»Und bei Grevesand nutzte er die Gelegenheit, als der wieder auf Tour war, um ein Haus oder in diesem Fall vielleicht sogar einen Öltank in Brand zu stecken«, stimmte Monika Sander zu.
»Wir suchen also nach einem Mörder, der seine Opfer studiert und dann geplant und spezifisch auf den Opfertyp ausgerichtet vorgeht«, sagte Trevisan. »Die Opfer haben eine Verbindung miteinander. Und es ist kein Lastwagen. Das wäre zu einfach und zu banal. Wahrscheinlich liegt ihre Verbindung sehr weit zurück. Und, so scheint es, alle Opfer sind relativ arglos in die Falle getappt.«
»Und was heißt das?«, fragte Dietmar und legte den Löffel auf die Untertasse.
»Sie wussten nichts voneinander«, behauptete Trevisan. »In unserer Region ist es leicht, die Namen von Verbrechensopfern zu erfahren, so etwas spricht sich herum. Die anderen hätten leicht herausfinden können, dass das erste Opfer Hans Kropp hieß, trotzdem haben weder Brunken noch Lohmann noch Grevesand Vorkehrungen getroffen, um sich zu schützen.«
»Nehmen wir mal an, du hast recht«, mischte sich Alex ein. »Sie haben alle einen dunklen Fleck auf ihrer mehr oder minder weißen Weste, weil sie vor mehreren Jahren gemeinsam etwas Verbotenes taten, irgendetwas Illegales. Vielleicht wussten sie überhaupt nicht voneinander, weil ihre Tat nicht unmittelbar eine persönliche Verbindung erforderte.«
»Du meinst so etwas wie Schmuggel?«, fragte Dietmar.
»Zum Beispiel«, antwortete Alex. »Kropp hat Illegale nach Deutschland gebracht. Vielleicht Frauen aus Osteuropa. Brunken hat sie hier übernommen und weiterverschoben. Grevesand hat sie bei sich auf dem Hof versteckt und Lohmann hat sie dann im Rotlichtmilieu untergebracht. Und nun ist der Vater eines der Opfer auf einem Rachefeldzug.«
»Das klingt gut«, bestätigte Dietmar.
Trevisan hob beschwichtigend die Hände. »Kropp ist der Einzige, von dem wir wissen, dass er in krumme Geschäfte verwickelt war. Weder bei Brunken noch bei Lohmann gibt es Anzeichen dafür. Und Grevesand war ein Spinner mit krankhaften Zügen und einem Hang zum Feuerlegen. Das passt irgendwie nicht zusammen.«
»Und was könnte sonst zusammenpassen?«, fragte Till.
»Kennst du noch jemanden aus deiner Parallelklasse?«, fragte Trevisan.
Till zuckte mit der Schulter. »Alle bekomme ich bestimmt nicht zusammen.«
»Soviel ich weiß, besuchten die Opfer zwar alle die Hauptschule, aber an vollkommen unterschiedlichen Orten«, entgegnete Dietmar.
»Das stimmt«, antwortete Trevisan. »Aber sie waren nahezu im gleichen Alter. Was ist mit Ausflügen, mit Landschulheimaufenthalten? Es könnte in dieser Zeit Berührungspunkte gegeben haben.«
Till lachte laut. »Wenn ich an meinen Landschulheimaufenthalt auf Sylt denke … Wenn man uns damals erwischt hätte, wäre ich heute vielleicht nicht bei der Polizei.«
»Wieso?«, fragte Dietmar.
»Ich war mit drei Jungs aus Hamburg zusammen, die ich dort getroffen hatte. Ganz schön durchtrieben, die Kerle. Wir haben uns davongeschlichen und sind an den Strand gegangen. Ich weiß es noch wie heute, es hat in Strömen geregnet. Einer hatte Tabak dabei, ein anderer eine Flasche Korn. Natürlich auch Shit. Danach haben wir am Yachthafen die Taue einiger Boote gelöst. Ich glaube, das gab eine Menge Schrott damals. Als jemand kam, sind wir abgehauen, und als ich am
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