Das Haus in den Dünen
derselben Nacht. Wir glauben, der Mörder saß in dem Wagen, der euch abgedrängt hat.«
Helge atmete tief ein. »Ich habe nicht viel gesehen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der erste Buchstabe im Kennzeichen ein W war. Aber es war kein Wagen aus Wilhelmshaven.«
»Ein W, sagst du?«
»Ganz sicher«, bestätigte Helge Bergkamp.
Sie sprachen noch eine ganze Weile miteinander, aber Helge konnte sich an keine weiteren Details erinnern. Sie verabschiedeten sich von ihm, als sie merkten, dass er müde wurde. Till versprach, ihn bald wieder zu besuchen.
Eins war mittlerweile beinahe sicher: Er würde nie mehr Außendienst leisten können. Er hatte sich am Rückgrat verletzt.
»Zwei Buchstaben, hat Huneke gesagt«, sagte Till, als sie das Krankenhaus verließen. »Und Helge ist sich sicher, dass der erste ein W war.«
»So viele gibt es da nicht«, erwiderte Trevisan.
»WI für Wiesbaden, WL für Winsen an der Luhe und WW für Westerwald«, zählte Till einige auf.
»Es gibt noch WN für Waiblingen und WR für Wernigerode, und bestimmt noch einige mehr.«
»Aber das lässt sich herausfinden.«
*
Sie hatte gestern bereits Osnabrück verlassen und war nach Varel gefahren. Die Pause hatte ihr gut getan. Heute hatte sie sich ein Bahnticket nach Wilhelmshaven gekauft und ihren Wagen auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof abgestellt.
Sie hatte die Zeitungen durchforstet, alle Ausgaben aus Friesland. Neben dem Wilhelmshavener Boten und der Wilhelmshavener Zeitung gab es noch die Ostfriesenzeitung , die Ostfriesischen Nachrichten , den General - Anzeiger , den Anzeiger für das Harlingerland und noch einige mehr. Sie hatte von dem Mord an Grevesand und von dem Unfall in Wilhelmshaven gelesen. Doch in beiden Meldungen stand, dass die Polizei noch im Dunkeln tappe.
Bei dem Unfall war ein Mensch ums Leben gekommen. Es tat ihr leid. Aber sie hatte nicht damit rechnen können, dass der andere Wagen ebenfalls das Rotlicht missachten und über die Kreuzung rasen würde.
Einen Zusammenhang zwischen dem Mord an Grevesand und dem Unfall in Wilhelmshaven hatte die Presse offenbar nicht feststellen können. Sie atmete auf, denn sie hatte befürchtet, dass es sich bei dem anderen Auto um einen zivilen Polizeiwagen gehandelt hatte, der hinter ihr her gewesen war. Doch die Pressemeldungen ließen nichts erkennen, was ihre Befürchtung hätte untermauern können. Jetzt, zwei Tage später, war sie sich sicher, dass alles nur eine Verkettung von unglücklichen Umständen gewesen war.
Der Regioexpress nach Wilhelmshaven fuhr in den Bahnhof ein. Eine angenehme Frauenstimme verkündete, dass der Zug nach zehn Minuten Aufenthalt von Gleis 2 weiterfahren würde. Auf dem Bahnsteig standen nur ein paar Jugendliche und eine alte Dame. Falls Polizisten dabei wären, dann hätten sie sich ausgesprochen gut getarnt.
Sie nahm ihre Reisetasche von der Bank und stieg in der Mitte des Zuges ein. Es gab keine verdächtigen Personen in ihrer Nähe, keine allzu gleichgültigen Passanten oder Liebespaare im mittleren Alter. Warum machte sie sich verrückt? Sie konnten nichts von ihr wissen, sonst hätten sie bereits eine Fahndung eingeleitet und die Presse eingeschaltet.
Sie atmete tief ein. Es gab noch eine Sache zu erledigen.
Eine einzige Sache, dann wäre alles vorbei.
*
Trevisan saß an seinem Schreibtisch und betrachtete das Foto. Die Kirche im Hintergrund, die Jungs davor. Dieses Bild hatte er schon einmal gesehen. Entweder war dies ein Déjà-vu oder er wurde langsam selbst verrückt …
Schließlich schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Er sprang auf, griff nach einem Fahrzeugschlüssel und stürmte über den Flur.
Der silberne Audi stand einsam und verlassen in der Garage. Trevisan setzte sich hinter das Steuer. Er hätte den Weg auch zu Fuß zurücklegen können, aber das hätte nur unnötig Zeit gekostet.
Die Parkplätze waren rar in der Danziger Straße. Kurzerhand parkte er in einer Ausfahrt, lief zum Haus von Martina Brunken und klingelte.
»Ja, bitte?«, ertönte es nach einem Moment. Die Stimme gehörte Inga Holt.
»Trevisan hier, ich muss noch einmal mit Frau Brunken sprechen.«
Inga Holt erwartete ihn an der geöffneten Wohnungstür. »Es geht ihr nicht besonders«, flüsterte sie. »Gibt es etwas Neues?«
Trevisan nickte. »Ich brauche nicht lange.«
Inga Holt führte ihn ins Wohnzimmer. Martina Brunken lag auf der Couch. Sie hatte sich zugedeckt. Ihre stumpfen Augen empfingen Trevisan beinahe
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