Das Haus in den Dünen
Hof stand ein weißer Kleintransporter, der von einem Mann in blauem Overall mit schmutziger Bettwäsche beladen wurde.
»Dann erzählen Sie endlich!« Trevisan schaute Bergen an. »Aber wenn ich das Gefühl habe, dass Sie lügen, dann gehen wir.« Er machte eine ausholende Geste. »Ich meine damit, wir alle.«
*
Dietmar Petermann heftete den Computerauszug des Einwohnermeldeamtes auf die erste Seite des neuen Aktenordners. Er überflog noch einmal die Aufzeichnungen und klappte schließlich den Deckel zufrieden zu.
Er hatte sich am heutigen Morgen schon die Finger wund gewählt. Unzählige Telefonate mit öffentlichen Stellen, Ämtern und Behörden. Sachbearbeiter, die sich nicht zuständig wähnten oder von nichts wussten, andere, die wichtige Termine wahrzunehmen hatten und wieder andere, die ihn einfach weitervermittelten, bis er das hektische Piepen des Besetztzeichens hörte und laut fluchte. Jetzt war er hungrig und dachte daran, ein einfaches Mittagsmahl in der Stadt einzunehmen. Trevisan war noch immer nicht aus dem Krankenhaus zurückgekehrt und gemeldet hatte er sich bislang auch noch nicht. Tina, Alex und Till waren außer Haus und hatten ihm nicht Bescheid gesagt, wo sie sich aufhielten, nur Monika hatte sich zusammen mit Anne bei ihm abgemeldet.
»Offenbar tut hier in letzter Zeit jeder, was er will«, schimpfte Dietmar.
Er erhob sich und blickte aus dem Fenster. Die Sonne schien und keine Wolke zeigte sich am Himmel. Der Wetterdienst hatte für den Abend leichte Gewitter vorhergesagt, aber vorerst würde er seine Jacke nicht brauchen.
Das Telefon klingelte. Dietmar warf einen missbilligenden Blick auf seine Armbanduhr. Es war kurz vor zwölf. Er umrundete den Schreibtisch und nahm missmutig das Gespräch entgegen.
»Hackenberg, Kripo Würzburg«, meldete sich ein Mann mit bayerischem Akzent. »Ich versuche, den Kollegen Trevisan zu erreichen, aber der ist offenbar nicht im Haus.«
»Ich fürchte«, antwortete Dietmar, »ich kann Ihnen da auch nicht helfen. Ich habe ihn heute noch nicht gesehen.«
»Er bat uns um eine Überprüfung«, fuhr der Kollege fort. »Er sagte, es sei dringend.«
Dietmar setzte sich auf den Stuhl und zog einen Notizblock heran. »Ja, ich denke, ich weiß Bescheid.«
»Wir konnten Veronika Oberdorf nicht an der genannten Adresse antreffen. Sie ist schon seit längerer Zeit nicht mehr zu Hause gewesen. Sie hat Mitte August ihre behinderte Schwester in ein Pflegeheim gebracht und ist dann in einen längeren Urlaub gefahren. Zumindest haben das ihre Nachbarn erzählt.«
»Wissen Sie, wann das war?«, fragte Dietmar.
»Soviel ich weiß, war das kurz nach dem Tod ihrer Mutter«, antwortete der bayerische Kollege. »Eine tragische Geschichte. Die Mutter wurde von einem LKW überrollt und starb noch an der Unfallstelle. Ich habe alles in einem Bericht zusammengefasst und Bilder der Frau habe ich ebenfalls über das Einwohnermeldeamt besorgt. Ich weiß zwar nicht, ob die Aufnahmen noch aktuell sind, aber ich schicke alles per Mail.«
Dietmar bedankte sich und bat Hackenberg um schnelle Übersendung des Berichts. Trevisan lag goldrichtig. Vielleicht war der Tod der Mutter der Auslöser, der Veronika Oberdorf auf den dunklen Pfad geführt hatte.
»Ach, da ist noch etwas«, sagte Hackenberg. »Kollege Trevisan wollte wissen, ob Veronika Oberdorf an Waffen herankommt. Sie ist eine ausgezeichnete Schützin und war sogar einmal unterfränkische Jugendmeisterin im KK-Schießen. Ihr verstorbener Vater war Jäger und sie hat ebenfalls einen Jagdschein. Außerdem sind vier Waffen auf ihrer Waffenbesitzkarte eingetragen. Es handelt sich um ein Gewehr der Marke Ritterbusch, Kaliber 9,3 x 62, eine Winchester, Modell 94, Kaliber 45, ein Gewehr Krieghoff, Ultra, Kaliber 9,3 x 74 und um eine Automatikpistole Walter PPK, Kaliber 7,65 mm.«
Dietmar hatte alle Daten auf dem Notizzettel mitgeschrieben. Nachdenklich verabschiedete er sich von dem Würzburger Kripobeamten. Eine Jagdwaffe der Marke Krieghoff mit dem Kaliber 9,3 x 74 … Mit eben solch einem Kaliber war Hans Kropp angeschossen worden.
Dietmar erhob sich, er musste unbedingt Trevisan erreichen.
47
»Ich weiß nicht, was in uns gefahren ist«, schluchzte Bergen. Tränen liefen ihm über die Wangen. »Man verdrängt es, will sich nicht mehr daran erinnern, versucht zu vergessen. Manchmal gelingt es auch, aber dann kommt alles wieder hervor und es ist, als wäre es gestern gewesen. Wirklich vergessen wird man es nie, es
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