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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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meine Töchter, ich kann euch gar nicht sagen, wie stolz ich auf euch bin, weil ihr eurem Land auf diese Weise helfen wollt.«
    »Aber Vater«, sagte Olga, die von dieser Idee überhaupt nicht angetan schien, »dies ist das erste Mal, dass wir beide davon …«
    »Ich bin sehr stolz auf dich, Liebling«, sagte der Zar und beugte sich über den Tisch, um seiner Frau die Hand zu tätscheln. »Auf euch alle. Nein, was für eine prächtige Familie ich doch habe! Wenn dies die Muschiks nicht davon abbringt, unseren Namen in den Schmutz zu ziehen, dann weiß ich nicht, was wir sonst noch tun könnten. Mit Taten wie diesen gewinnt man Kriege, nicht mit Kanonen oder Bajonetten. Damit nie! Das dürft ihr mir glauben, Kinder.«
    »Und was ist mit mir, Vater?«, fragte Anastasia plötzlich. »Kann ich nicht auch helfen?«
    »Nein, nein, Schwipsik«, sagte er lachend und schüttelte den Kopf. »Ich denke, du bist noch ein bisschen zu jung für das, was man an einem solchen Ort zu sehen bekommt.«
    »Ich bin fünfzehn!«
    »Wenn du achtzehn bist, so wie Tatjana, dann können wir es in Erwägung ziehen. Falls, was Gott verhüten möge, der Krieg dann noch immer nicht gewonnen ist. Aber keine Sorge, wir werden für dich und Maria etwas anderes finden. Wir werden uns alle irgendwie nützlich machen. Die ganze Familie.«
    Ich atmete auf, als ich hörte, dass Anastasia sich ihrer Mutter und ihren Schwestern nicht anschließen durfte, denn ich hielt das Ganze für eine törichte, wenngleich hochherzige Idee. Eine Gruppe unausgebildeter Krankenschwestern, umringt von Leibwächtern – das klang mir nicht nach einer großen Hilfe, sondern eher nach einer todsicheren Methode, die Arbeit im Lazarett zu behindern. Mein Seufzer der Erleichterung war jedoch möglicherweise zu laut gewesen, denn die Zarin drehte sich zu mir um und schaute mich an, was sie für gewöhnlich nur sehr widerwillig tat.
    »Und du, Georgi Daniilowitsch«, sagte sie mit vor Verärgerung weit aufgerissenen Augen, »hast du auch etwas dazu zu sagen?«
    »Ich bitte um Verzeihung, Euer Majestät«, sagte ich, wobei mir die Schamröte ins Gesicht stieg. »Das war nur ein Hustenreiz.«
    Sie zog angewidert eine Augenbraue hoch, bevor sie sich wieder ihrem Essen zuwandte und ich einen Blick von Anastasia auffing, die mich wie immer anlächelte.
    »Es ist alles so schrecklich«, sagte Großfürstin Tatjana einige Wochen später, als sie nach einem besonders anstrengenden Tag mit Maria, Anastasia und Alexei im privaten Salon der Zarentöchter saß. Sie sah blass aus und hatte auch etwas abgenommen, seitdem sie mit der Krankenpflege begonnen hatte. Die dunklen Ringe unter ihren Augen zeugten davon, dass sie in aller Herrgottsfrühe aufstand und erst spätabends nach Hause zurückkehrte, und ihre unbequeme Haltung im Sessel deutete darauf hin, dass nach den vielen Stunden, die sie tagtäglich damit verbrachte, sich über die Betten der verwundeten Soldaten zu beugen, ihr Rücken schmerzte. Da der Zarewitsch bei seinen Schwestern weilte, war auch ich dort zugegen, und Sergei Stasjewitsch komplettierte unsere Runde, stand aber nicht stramm, wie es sich gehört hätte, sondern saß in der Nähe von Großfürstin Maria auf der Armlehne eines der Sofas und drehte sich ungeniert eine Zigarette, als wäre er kein Bediensteter, sondern ein Vertrauter der kaiserlichen Familie. »Die Lazarette sind bis zum Bersten voll«, fuhr Tatjana fort, »und die Männer sind schrecklich entstellt – manchen sind Arme oder Beine weggeschossen worden, anderen die Augen. Alles ist voller Blut. Ein unaufhörliches Wimmern und Stöhnen. Die Ärzte rennen herum und brüllen Anweisungen, ohne die geringste Rücksicht auf Rang oder Dienstgrad, und das in einer Sprache, die fast schon unflätig ist. Wenn ich morgens aufwache, wünsche ich mir manchmal, dass ich selber krank werde und nicht mehr dort hingehen muss.«
    »Tatjana!«, rief Maria empört, denn sie hatte das gleiche Pflichtgefühl gegenüber den Soldaten wie ihr Vater, und sie beneidete ihre großen Schwestern um deren neue Aufgabe. Sie hatte ihre Mutter bekniet, sie ebenfalls in einem Lazarett aushelfen zu lassen, doch dieser Wunsch war ihr genauso abgeschlagen worden wie davor schon Anastasia. »So etwas solltest du nicht sagen. Denk an die Qualen, die unsere Soldaten zu erdulden haben.«
    »Maria Nikolajewna hat recht«, sagte Sergei, der sich bis dahin nicht an der Unterhaltung beteiligt hatte, und fixierte Tatjana mit einem Ausdruck tiefster

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