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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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in seinem Tonfall eine gewisse Ungeduld lag, so als graute ihm bereits vor dem, was seine Frau gleich vorschlagen würde.
    »Ich dachte, ich könnte auch etwas tun, um den Menschen zu helfen«, sagte sie. »Du weißt doch, dass ich letzte Woche das Lazarett gegenüber der St. Isaakskathedrale besucht habe, nicht wahr?«
    »Ja, das hast du erwähnt.«
    »Nun, es war entsetzlich, Nicky, einfach entsetzlich. Es gibt in diesem Lazarett nicht genug Ärzte und Krankenschwestern, die sich um die Verwundeten kümmern könnten, und die werden dort zu Hunderten eingeliefert, jeden Tag. Und nicht bloß dort, sondern überall in der Stadt. Ich habe gehört, dass es in St. Petersburg inzwischen mehr als achtzig Lazarette gibt.«
    Der Zar runzelte die Stirn und wandte für einen Moment seinen Blick von ihr ab, schmerzlich getroffen von den Realitäten des von ihm geführten Krieges – das Bild von jungen Männern, die auf Bahren herangeschleppt wurden, war etwas, das er sich lieber erspart hätte.
    »Ich bin mir sicher, es wird alles für sie getan, was man tun kann, Sunny«, sagte er schließlich.
    »Aber das ist allenfalls das Nötigste«, sagte sie und beugte sich in seine Richtung, mit vor Aufregung gerötetem Gesicht. »Man kann noch mehr für sie tun. Und ich möchte diejenige sein, die das macht. Ich dachte, ich könnte dort als Krankenschwester aushelfen.«
    Dies war, so weit ich mich erinnern konnte, das erste Mal, dass im kaiserlichen Speisesaal absolute Stille herrschte. Die übrigen Familienmitglieder saßen wie versteinert da, wobei ihre Messer und Gabeln reglos in der Luft verharrten, und starrten die Zarin an, als hätten sie sich gerade verhört.
    »Was guckt ihr mich denn alle so an?«, fragte sie und schaute in die Runde. »Findet ihr es wirklich so außergewöhnlich, dass ich diesen armen Jungen helfen möchte?«
    »Nein, natürlich nicht, Liebling«, sagte der Zar, als er die Sprache wiedergefunden hatte. »Es ist bloß … na ja, du bist keine ausgebildete Krankenschwester, verstehst du? Wahrscheinlich bist du dort nur im Weg.«
    »Nein, Nicky«, beharrte sie. »Ich habe mich mit einem der Ärzte unterhalten, und der hat mir erzählt, es dauerte nur ein paar Tage, bis man einem Laien wie mir das Einmaleins der Krankenpflege beigebracht hat. Und es geht ja auch nicht darum, Leute zu operieren. Wir wären bloß da, um auszuhelfen. Um Wunden zu versorgen, um Verbände zu wechseln oder auch, um ein bisschen sauber zu machen. Ich meine … also, dieses Land ist so gut zu mir gewesen, seitdem du mich vor all diesen Jahren hierhergeholt hast. Und auf jeden Hundsfott, der Verleumdungen über mich verbreitet, kommen tausend loyale Russen, die ihre Kaiserin lieben und die ihr Leben für sie opfern würden. Ich möchte ihnen auf diese Weise meine Dankbarkeit bezeigen. Bitte sag nicht Nein, Nicky. Du erlaubst es mir, ja?«
    Der Zar trommelte mit den Fingern auf der Tischdecke herum, während er sich ihr Anliegen durch den Kopf gehen ließ, von den plötzlichen philanthropischen Anwandlungen seiner Frau zweifellos ebenso überrascht wie alle anderen Anwesenden. Es schien ihr jedoch ernst zu sein, und schließlich zuckte er mit den Schultern und schenkte ihr ein nervöses Lächeln, bevor er nickte.
    »Ich halte das für eine fabelhafte Idee, Sunny«, sagte er. »Natürlich erlaube ich es dir. Aber sei vorsichtig. Das ist alles, worum ich dich bitte. Es müssen gewisse Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden, aber wenn dies dein Wunsch ist, so werde ich dir keine Steine in den Weg legen. Die Menschen werden sehen, wie sehr uns ihr Wohlergehen und der Erfolg unserer Kriegsanstrengungen am Herzen liegen. Aber mir ist aufgefallen, dass du vorhin ›wir‹ statt ›ich‹ gesagt hast. Gibt es dafür einen Grund?«
    »Ich möchte nicht allein gehen«, sagte sie und wandte sich dabei ihrer übrigen Familie zu. »Ich habe gedacht, Olga und Tatjana könnten mich vielleicht begleiten. Schließlich sind sie beide volljährig. Und sie könnten sich dort ebenfalls nützlich machen.«
    Ich richtete meinen Blick auf die beiden ältesten Töchter der Kaiserin, die beide ein wenig erblasst waren, als ihre Namen genannt wurden. Zunächst sagten sie gar nichts, sondern schauten einander voller Bestürzung an, nachdem ihr Blick von ihrer Mutter zu ihrem Vater gewandert war.
    »Vater?«, begann Tatjana, doch der nickte bereits heftig und schien seinen Entschluss gefasst zu haben.
    »Das ist eine großartige Idee, Sunny«, sagte er. »Und,

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