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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Lust. Du nicht auch?«
    »Ja«, erwiderte ich ungeduldig. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich vor jenem Abend nur dreimal im Kino gewesen war, aber jedes Mal hatte ich mir Greta Garbo angesehen. Das erste Mal lag fünf Jahre zurück, als ich, ohne zu wissen, was auf dem Programm stand, allein ins Empire gegangen war und die Schauspielerin als Anna Christie gesehen hatte, eine ehemalige Prostituierte, die ein neues Leben anfangen wollte. Zwei Jahre darauf sah ich sie erneut, in Menschen im Hotel , wo sie die alternde Primaballerina Grusinskaja spielte und mich nicht ganz so sehr bezauberte. Doch im darauffolgenden Jahr überzeugte sie mich wieder als die schwedische Königin Christine, und nun bot sich die Gelegenheit, sie mir, gemeinsam mit Soja, ein viertes Mal anzusehen, in einer Rolle, die mir ans Herz ging, nämlich als Anna Karenina.
    Allein der Name reichte aus, um mich um zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurückzuversetzen. Als ich ihn in großen schwarzen Lettern an der Fassade des Kinos prangen sah, spürte ich wieder die Ermattung, die ich damals nach Graf Tscharnetzkis endlosen Trainingsstunden empfunden hatte, und ich erinnerte mich wieder an das Gefühl der Verlorenheit in einem Palast, der mir noch nicht vertraut war und in dem ich mich auf der Suche nach meinem Zimmer heillos verlaufen hatte.
    Ist das nicht der Junge, dem sie in die Schulter geschossen haben?, hatte Tatjana gefragt, erfreut über diese kurze Atempause vom Unterricht.
    Nein, ich habe gehört, der Junge, der Vetter Nikolaus das Leben gerettet hat, soll wahnsinnig gut aussehen, hatte Maria mit einem Kopfschütteln erwidert.
    Doch, er ist es, hatte Anastasia ruhig geantwortet, und dann hatte sie mir direkt in die Augen geschaut.
    Im Empire herrschte an jenem Abend ein ziemlicher Andrang – die Luft im Saal war bereits von Zigarettenqualm und dem Geschnatter der Liebespaare erfüllt, doch Soja und ich ergatterten noch zwei benachbarte Sitzplätze auf dem zweiten Rang. Als das Licht erlosch und das Stimmengewirr auf einen Schlag verstummte, lehnten wir uns zufrieden zurück. Zuerst lief die Wochenschau, und wir sahen Bilder von einem Hurrikan, der an der Küste von Florida eine Spur der Verwüstung hinterließ. Ein Mann namens Howard Hughes, so erfuhren wir, hatte gerade mit 352 Meilen in der Stunde einen neuen Fluggeschwindigkeitsrekord aufgestellt, während der amerikanische Präsident, Mr Roosevelt, am Black Canyon gezeigt wurde, an der Grenze zwischen Arizona und Nevada, wie er sich anschickte, einen Damm einzuweihen. Die Wochenschau endete mit einem fünfminütigen Film über Herrn Hitler, den deutschen Kanzler, wie er durch die Straßen von Nürnberg marschierte, eine Truppenparade abnahm und vor Zehntausenden von Deutschen Reden hielt. Dem Kinopublikum stockte der Atem angesichts der Zerstörungswut des Hurrikans, es bejubelte die Tollkühnheit von Mr Hughes und schwatzte laut während der Rede von Mr Roosevelt, doch es saß mucksmäuschenstill da, als der Reichskanzler sich an die Massen wandte, als er brüllte und schrie, beschwörend, inständig bittend, insistierend, fordernd, als wäre er sich nur zu bewusst, dass man seine Rede auch noch im tausend Kilometer entfernten Holborn Empire hören würde, und als wollte er jedes Mitglied des dortigen Publikums mit seinen wilden Schlachtrufen hypnotisieren, ungeachtet der Tatsache, dass die Leute von dem, was er sagte, kein einziges Wort verstanden.
    Soja und ich verstanden indes genug Deutsch, um in groben Zügen zu erfassen, was Hitler sagte. Wir rückten etwas enger zusammen, sagten aber nichts.
    Als er schließlich von der Leinwand verschwunden war, begann der Film, und der Zug, in dem Anna und die Gräfin Wronskaja saßen, fuhr im Moskauer Bahnhof ein. Die gewaltigen Rauchwolken, die die Lokomotive ausstieß, lichteten sich allmählich, und die Garbo als Anna Karenina erschien im Bild – ihre großen klaren Augen genau in der Mitte der Leinwand, der dunkle Nerz ihrer Kopfbedeckung und ihres Mantels in markantem Kontrast zu ihren schlichten wallenden Locken.
    »Was für eine Erscheinung!«, schwärmte ich Soja hinterher auf dem Heimweg vor, noch immer ganz weg von der Darbietung der Garbo. »Diese Leidenschaft! Aber auch bei Wronski. Die beiden mussten kein Wort sagen, sondern sich bloß anschauen, und schon war es um sie geschehen.«
    »Du hast das für Liebe gehalten?«, fragte sie mich leise. »Ich habe da etwas anderes gesehen.«
    »Was

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