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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Stasjewitsch … nun, er ist zweifellos ein netter Bursche, und er sieht wohl gut aus, aber es kann doch nicht sein, dass jemand wie Maria sich mit einem …« Ich hielt inne und zog es vor, den Satz unvollendet zu lassen. Anastasia blickte mich an und zog dabei eine Augenbraue hoch, und trotz des Kummers auf ihrem Gesicht musste sie ein wenig lächeln. »Natürlich kann es sein«, erlaubte ich mir zu sagen. »Das ist mir eben so herausgerutscht.«
    »Jemand hat es Vater erzählt«, fuhr sie fort. »Und der ist wütend, Georgi, fuchsteufelswild. Ich habe ihn noch nie so aufgebracht erlebt.«
    »Es ist nur … also, es ist unglaublich, dass Sergei mir nie davon erzählt hat«, sagte ich kopfschüttelnd. »Ich habe immer gedacht, wir seien Freunde. Schließlich ist er der engste Freund, den ich hier habe.« Als ich dies sagte, füllte sich mein Kopf plötzlich mit Erinnerungen an den letzten Jungen, den ich meinen engsten Freund genannt hatte, an den Jungen, mit dem ich zusammen aufgewachsen war, von unserer Kindheit bis zum frühen Mannesalter, an den Freund, dessen Blut noch immer an meinen Händen klebte.
    »Hast du ihm denn von uns erzählt?«, fragte sie, wobei sie sich von mir abwandte und nervös im Raum auf und ab ging.
    »Nein, natürlich nicht. Etwas so Heikles würde ich ihm nie anvertrauen.«
    »Dann muss er dir gegenüber das Gleiche empfunden haben.«
    »Ja, offenbar«, sagte ich, und obwohl ich wusste, wie scheinheilig das war, kam ich nicht umhin, mich ein wenig gekränkt zu fühlen. »Und was ist mit dir?«, fragte ich. »Hast du gewusst, dass die beiden was miteinander hatten?«
    »Ja, natürlich wusste ich das, Georgi«, sagte sie, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. »Maria und ich erzählen uns immer alles.«
    »Und mir hast du es nicht erzählt?«
    »Nein, es war ja ein Geheimnis.«
    »Ich dachte, wir hätten keine Geheimnisse voreinander«, sagte ich schnell.
    »Ach, wirklich?«
    »Jeder von uns verbirgt etwas«, murmelte ich vor mich hin und schaute kurz von ihr weg. Sie sah mich an, wobei sie mir direkt in die Augen schaute, mit der gleichen Intensität, mit der mich der Starez vor ein paar Wochen in jener grässlichen Nacht angeschaut hatte. Diese Assoziation, diese Erinnerung bohrte sich durch mein Herz wie ein Dolch, und ich schnitt eine Grimasse und schämte mich. »Und was ist mit uns?«, fragte ich schließlich, wobei ich mich darum bemühte, die Fassung wiederzugewinnen. »Weiß Maria von uns?«
    »Ja«, sagte sie. »Aber ich verspreche dir, Georgi, sie wird es niemandem erzählen. Es ist unser Geheimnis.«
    »Maria und Sergei Stasjewitsch waren auch dein Geheimnis. Und das ist herausgekommen.«
    »Nun, ich habe es Vater nicht erzählt«, sagte sie wütend. »Das würde ich nie tun.«
    »Und was ist mit Olga und Tatjana? Wussten die von Maria und Sergei? Wissen die auch über uns Bescheid?«
    »Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Das waren Dinge, über die Maria und ich uns zur Schlafenszeit unterhalten haben. Geheimnisse, die wir niemandem sonst anvertrauten.«
    Ich nickte und glaubte ihr. Obwohl es in jedem der kaiserlichen Paläste Hunderte von Zimmern gab, teilten sich die beiden ältesten Schwestern, Olga und Tatjana, stets ein Schlafzimmer, um Gesellschaft zu haben, und Maria und Anastasia hielten es genauso. Von daher war es durchaus möglich, dass jedes der beiden Schwesternpaare seine eigenen Geheimnisse hatte.
    »Also, was ist denn nun passiert?«, fragte ich und erinnerte mich dabei wieder an das Gebrüll, das kurz zuvor aus dem Arbeitszimmer des Zaren gedrungen war. »Weißt du, was da oben vor sich geht?«
    »Mutter hat Maria vor einer Stunde in Vaters Arbeitszimmer geschleift. Als sie wieder herauskam, war sie in Tränen aufgelöst, ja fast schon hysterisch. Sie konnte kaum mit mir reden, Georgi, sie bekam fast kein Wort heraus. Sie sagte, Sergei Stasjewitsch werde nach Sibirien verbannt.«
    »Nach Sibirien?«, fragte ich und atmete tief durch. »Das kann nicht sein.«
    »Er wird noch heute Abend gehen müssen«, sagte sie. »Die beiden sollen sich nie wiedersehen. Und er hat Glück gehabt, meinte sie. Wäre ihre Beziehung enger gewesen, hätte man ihn auch hinrichten können.«
    Ich kniff die Augen zusammen und schaute sie an, woraufhin sie puterrot anlief. Obwohl wir beide schon so lange zusammen waren, hatten wir noch nicht miteinander geschlafen, sondern uns auf endlose Küsse beschränkt.
    »Sie haben Dr. Fedorow kommen lassen«, sagte sie

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