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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Monsieur Ferré legte Wert darauf, so viel Ware wie möglich vorrätig zu haben, was jedoch dazu führte, dass die Regale mit Büchern regelrecht vollgestopft waren und dass sie, angesichts der Enge zwischen den Regalen, unmöglich von mehr als einer Person gleichzeitig inspiziert werden konnten. »Die Arbeit hat mich völlig in Beschlag genommen«, fügte ich hinzu, »aber …«
    »Und wenn ich nun ein Kunde gewesen wäre?«, fragte er mich in einem aggressiven Tonfall. »Wenn Sie allein im Laden gewesen wären, hier in dieser Ecke versteckt, wie ein Halbwüchsiger, der in einem Band mit Aktbildern herumblättert, dann hätte sich jeder dahergelaufene Dieb mit unseren Tageseinnahmen davonmachen können, nur weil Sie nicht in der Lage sind, sich gleichzeitig auf mehr als eine Aufgabe zu konzentrieren.«
    Ich wusste aus Erfahrung, dass es keinen Sinn hatte, sich mit ihm zu streiten, und dass es besser war, zu warten, bis seine Wut verraucht war, ehe ich etwas zu meiner Verteidigung vorbrachte. »Es tut mir leid, Monsieur Ferré«, sagte ich schließlich und versuchte, möglichst zerknirscht zu klingen. »Ich verspreche Ihnen, in Zukunft werde ich besser aufpassen.«
    »Es geht mir nicht bloß ums Aufpassen, Jatschmenew«, sagt er gereizt und schüttelte den Kopf. »Dies ist genau das, worüber ich mich mit Ihnen unterhalten wollte. Sie werden doch wohl zugeben, dass ich Sie während der letzten Wochen mehr als fair behandelt habe.«
    »Sie sind überaus großzügig gewesen, Monsieur Ferré, und ich bin Ihnen dafür sehr dankbar. Und meine Frau ebenfalls.«
    »Ich habe Ihnen so lange freigegeben, wie Sie gebraucht haben, um hinwegzukommen über Ihre …« Er hielt inne, offenbar unsicher, wie er dies formulieren sollte, und ich spürte, dass es ihm unangenehm war, in so ein Gespräch gezogen zu werden. »Über Ihre jüngsten Schwierigkeiten«, sagte er schließlich. »Aber ich bin kein Wohltätigkeitsverein, Jatschmenew, das müssen Sie verstehen. Ich kann mir keinen Angestellten leisten, der kommt und geht, wie es ihm passt, der nicht die Arbeitsstunden ableistet, zu denen er sich vertraglich verpflichtet hat, der mich im Laden allein lässt, obwohl ich mich noch um so viele andere Dinge kümmern muss …«
    »Monsieur Ferré«, sagte ich schnell und machte einen Schritt auf ihn zu, denn ich hatte Angst, er würde mich entlassen, was ein weiterer Schlag in einer ohnehin schon schweren Zeit gewesen wäre. »Monsieur Ferré, ich kann mich nur dafür entschuldigen, wie unzuverlässig ich in letzter Zeit gewesen bin, aber ich bin mir sicher, das Schlimmste ist nun ausgestanden. Soja ist wieder auf den Beinen, geht am Montag wieder arbeiten. Wenn Sie sich dazu durchringen können, mir noch eine Chance zu geben, dann verspreche ich Ihnen, dass ich Ihnen nie wieder einen Anlass geben werde, mich zu rügen.«
    Er funkelte mich an und schaute einen Moment lang weg, wobei er mit den Schneidezähnen an seiner Unterlippe knabberte, eine Angewohnheit, der er sich hingab, wenn er vor einer schweren Entscheidung stand. Ich konnte sehen, dass er mich am liebsten gefeuert hätte, dass er sich dies sogar fest vorgenommen hatte, doch meine Worte waren offenbar nicht ohne Wirkung geblieben, und er schien die Sache noch einmal überdenken zu wollen.
    »Sie werden mir sicher zustimmen«, fügte ich hinzu, »dass Sie sich während der drei Jahre, die ich bei Ihnen bin, immer auf mich haben verlassen können.«
    »Ja, sie sind ein tüchtiger Gehilfe gewesen, Jatschmenew«, erwiderte er frustriert. »Deswegen ist das Ganze für mich ja auch so enttäuschend. Ich habe eine hohe Meinung von Ihnen gehabt, und das habe ich auch Freunden von mir erzählt, verstehen Sie, anderen Geschäftsleuten hier in Paris, Männern, die, wie ich hinzufügen darf, für russische Emigranten sonst nicht viel übrig haben, Männern, die euch Russen durch die Bank für Revolutionäre und Unruhestifter halten. Ich habe denen erzählt, dass Sie einer der zuverlässigsten Mitarbeiter sind, die ich jemals das Glück hatte beschäftigen zu dürfen. Ich möchte Sie nicht verlieren, junger Mann, aber wenn ich Sie weiter beschäftigen soll …«
    »Dann werden Sie sich hundertprozentig darauf verlassen können«, sagte ich, »dass ich hier jeden Morgen pünktlich erscheine und den ganzen Tag über an meinem Arbeitsplatz bleibe. Geben Sie mir bitte noch eine Chance, Monsieur Ferré. Das ist alles, worum ich Sie bitte. Ich verspreche Ihnen, Sie werden diese Entscheidung nicht

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