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Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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untersuchte den Murks, den er bis dahin gemacht hatte, und dann schnappte ich mir den Wagenheber und klemmte ihn unter den Rahmen, um das Automobil anzuheben. Die Arbeit nahm mich voll in Anspruch. Tatsächlich war ich so tief darin versunken, dass ich noch nicht einmal die Schritte hörte, die sich mir näherten. Als dann plötzlich mein Name ausgesprochen wurde, in einem ehrfürchtigen Flüsterton, zuckte ich erschrocken zusammen, wobei mir das Radkreuz entglitt und ich mir die linke Hand aufschrammte. Ich fluchte, doch als ich aufblickte, verflog meine Wut auf der Stelle.
    »Alexei«, sagte ich.
    »Georgi«, erwiderte er, wobei er zum Haus zurückblickte, um sicherzugehen, dass ihn niemand beobachtete. »Kommst du mich besuchen?«
    »Ja, mein Freund«, sagte ich, und diesmal war ich derjenige, dem die Tränen in die Augen stiegen. Wie sehr ich diesen Jungen mochte, war mir erst klar geworden, als er nicht mehr ein Teil meines Lebens gewesen war. »Kannst du es fassen, dass ich hier bin?«
    »Du hast einen Bart«, sagte er.
    »Na ja, so etwas Ähnliches«, sagte ich, wobei ich mir nervös mit der Hand über die Stoppeln strich. »Jedenfalls ist er nicht so beeindruckend wie der deines Vaters.«
    »Du siehst anders aus.«
    »Älter, vermute ich.«
    »Dürrer«, sagte er. »Und blasser. Ja, du siehst gar nicht gut aus.«
    Ich lachte und schüttelte den Kopf. »Vielen Dank!«, sagte ich. »Du hast dich schon immer darauf verstanden, mir gute Laune zu machen.«
    Er starrte mich einen Augenblick lang an, als versuchte er zu ergründen, wie ich das gemeint hatte, und als er merkte, dass ich ihn nur aufgezogen hatte, trat ein breites Lächeln auf sein Gesicht. »Entschuldigung«, gab er zurück.
    »Wie geht es dir?«, fragte ich. »Hältst du dich wacker? Gestern habe ich deine Schwester getroffen, weißt du?«
    »Welche?«
    »Maria.«
    » Pffft «, zischte er angewidert und schüttelte den Kopf. »Ich hasse meine Schwestern.«
    »Alexei, so etwas darfst du nicht sagen.«
    »Aber es ist wahr. Sie lassen mich nie in Ruhe.«
    »Aber trotzdem lieben sie dich sehr.«
    »Kann ich dir beim Reifenwechsel helfen?«, fragte er.
    »Du kannst mir dabei zusehen«, sagte ich. »Warum setzt du dich nicht da drüben hin?«
    »Kann ich nicht helfen?«
    »Du kannst mich beaufsichtigen«, schlug ich vor. »Du kannst aufpassen, ob ich alles richtig mache.«
    Er nickte zufrieden und nahm auf einem großen Stein Platz, der hinter ihm lag und für ihn genau die richtige Höhe hatte, um darauf sitzen und sich mit mir unterhalten zu können, während ich arbeitete. Ich hatte den Eindruck, dass es ihn nicht besonders überraschte, mich hier anzutreffen und auf diese Weise arbeiten zu sehen. Er stellte mir deswegen keine einzige Frage. Für ihn war das ein ganz normaler Bestandteil seines Tages.
    »Du blutest, Georgi«, sagte er und deutete auf meine Hand.
    Ich schaute hinunter, und da war tatsächlich ein schmaler, gerade gerinnender Streifen Blut oberhalb meiner Knöchel. »Das ist deine Schuld«, sagte ich und grinste ihn an. »Du hast mich erschreckt.«
    »Und du hast ein schlimmes Wort gesagt.«
    »Ja, das habe ich«, gab ich zu. »Aber lass uns nicht mehr davon reden.«
    »Du hast gesagt …«
    »Alexei«, sagte ich stirnrunzelnd.
    Ich griff mir den Schraubenschlüssel und widmete mich eine Weile stumm dem Reifen, denn obwohl ich darauf brannte, mich mit dem Jungen zu unterhalten, wollte ich meine Fragen nicht zu schnell stellen, weil er sonst vielleicht nach drinnen gestürmt wäre, um den anderen brühwarm zu erzählen, wen er draußen vor dem Haus entdeckt hatte.
    »Deine Familie«, sagte ich schließlich. »Sie sind alle in diesem Haus hier?«
    »Ja, im oberen Stockwerk«, sagte er. »Vater schreibt Briefe. Olga liest irgendeinen albernen Roman. Mutter erteilt meinen anderen Schwestern ihren Unterricht.«
    »Und du?«, fragte ich. »Warum bist du nicht beim Unterricht?«
    »Ich bin der Zarewitsch«, sagte er mit einem Achselzucken. »Ich ziehe es vor, nicht daran teilzunehmen.«
    Ich lächelte ihn an und nickte, und mit einem Mal überkam mich eine Welle des Mitleids angesichts seiner misslichen Lage. Offenbar hatte er noch nicht begriffen, dass er nicht mehr der Zarewitsch war, sondern nur noch Alexei Nikolajewitsch Romanow, ein Junge mit genauso wenig Geld oder Einfluss wie ich.
    »Ich bin froh, dass es dir gut geht«, sagte ich. »Mir fehlt das Winterpalais.«
    »Mir fehlt die Standart «, sagte er, denn er hatte sich immer am

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