Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose

Titel: Das Haus zur besonderen Verwendung - Boyne, J: Haus zur besonderen Verwendung - The House of Special Purpose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
Vom Netzwerk:
liebsten auf der kaiserlichen Jacht aufgehalten. »Und ich vermisse meine Spielsachen und meine Bücher. Hier habe ich nur ganz wenige.«
    »Aber es geht dir gut, seitdem du hier in Jekaterinburg bist?«, fragte ich. »Du hast dich nicht verletzt, oder?«
    »Nein«, sagte er und erschauderte kurz angesichts dieser Vorstellung. »Mutter lässt mich nicht oft nach draußen. Dr. Fedorow ist auch hier, für alle Fälle, aber in letzter Zeit bin ich, Gott sei Dank, immer gesund gewesen.«
    »Das freut mich zu hören.«
    »Und du, Georgi Daniilowitsch? Wie ist es dir ergangen? Du weißt, dass ich inzwischen dreizehn Jahre alt bin?«
    »Ja, weiß ich«, sagte ich. »An deinem Geburtstag im letzten August habe ich an dich gedacht.«
    »Wie?«
    »Nun, ich habe für dich eine Kerze angezündet«, erwiderte ich, wobei ich mich an den Tag erinnerte, an dem ich fast acht Stunden auf den Beinen gewesen war, bis ich endlich eine Kirche gefunden hatte, wo ich den Geburtstag des Zarewitsch würdig begehen konnte. »Ich habe eine Kerze angezündet und gebetet, dass du gesund und wohlauf bist und dass Gott seine schützende Hand über dich hält.«
    »Ich danke dir«, sagte er lächelnd. »Nächsten Monat ist mein vierzehnter Geburtstag. Wirst du dann das Gleiche tun?«
    »Ja, natürlich«, sagte ich. »Das werde ich von nun an jedes Jahr am 12. August machen. Solange ich lebe.«
    Alexei nickte und schaute sich im Hof um. Er schien in Gedanken versunken, und ich schwieg, um ihn nicht zu stören, und fuhr einfach mit meiner Arbeit fort.
    »Wirst du hier bleiben, Georgi?«, fragte er schließlich.
    Ich schaute zu ihm hinüber und schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Einer der Soldaten hat versprochen, mir ein paar Rubel zu geben, wenn ich diesen Reifen hier wechsle.«
    »Und was wirst du mit dem Geld machen?«
    »Mir was zu essen kaufen.«
    »Wirst du hinterher wiederkommen? Wir haben hier nämlich niemanden, der uns beschützt.«
    »Aber die Soldaten beschützen euch doch«, sagte ich. »Deswegen sind sie doch hier, oder?«
    »Ja, das sagen sie zumindest«, erwiderte er, wobei er ein wenig die Stirn furchte, als er darüber nachdachte. »Aber ich glaube ihnen nicht. Ich glaube, sie mögen uns nicht. Ich mag sie auch nicht. Sie sagen immer so hässliche Dinge über uns. Über Mutter. Über meine Schwestern. Sie haben keinen Respekt vor uns. Sie haben vergessen, was sich geziemt.«
    »Aber du musst auf sie hören, Alexei«, sagte ich, um seine Sicherheit besorgt. »Wenn du ihnen gehorchst, werden sie dich gut behandeln.«
    »Ach, du nennst mich jetzt Alexei?«
    »Ich bitte um Verzeihung«, sagte ich und verbeugte mich vor ihm. »Ich meinte natürlich Euer Hoheit.«
    Er zuckte die Achseln, als kümmerte ihn das eigentlich nicht, doch ich merkte, dass ihn sein neuer gesellschaftlicher Rang zutiefst verunsicherte.
    »Du hast doch auch Schwestern, stimmt’s, Georgi?«, fragte er mich.
    »Ja, hatte ich«, sagte ich. »Insgesamt drei. Aber ich weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen.«
    »Dann haben wir zusammen sieben Schwestern, aber keine Brüder.«
    »Richtig.«
    »Merkwürdig, oder?«
    »Ja, irgendwie schon.«
    »Ich habe mir immer einen Bruder gewünscht«, sagte er leise und blickte dabei auf den steinigen Boden. Er klaubte ein paar Kiesel von der Zufahrt auf und warf sie von einer Hand in die andere.
    »Das hast du mir nie erzählt«, sagte ich, überrascht, ihn das sagen zu hören.
    »Aber es stimmt. Ich habe immer gedacht, es wäre schön, einen großen Bruder zu haben. Jemanden, der sich um mich kümmert.«
    »Dann wäre er der Zarewitsch gewesen, und nicht du.«
    »Ich weiß«, sagte er. »Das wäre schön gewesen.«
    Ich runzelte die Stirn, denn mit dieser Antwort hatte ich nicht gerechnet.
    »Und was ist mit dir, Georgi? Hast du dir jemals einen Bruder gewünscht?«
    »Nein, eigentlich nicht«, sagte ich. »Ich habe nie darüber nachgedacht. Ich hatte einmal einen Freund, Kolek Borisowitsch – wir sind zusammen aufgewachsen. Er war für mich wie ein Bruder.«
    »Und wo ist er jetzt? Kämpft er im Krieg?«
    »Nein«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Nein, er ist gestorben.«
    »Das tut mir leid.«
    »Nun ja, das ist schon lange her.«
    »Wie lange?«
    »Über drei Jahre.«
    »Das ist aber nicht besonders lange.«
    »Mir kommt es wie eine halbe Ewigkeit vor«, sagte ich. »Aber wie dem auch sei, du hast keinen Bruder, und Kolek Borisowitsch ist tot, aber du

Weitere Kostenlose Bücher