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Das Hausbuch der Legenden

Das Hausbuch der Legenden

Titel: Das Hausbuch der Legenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Adolf Narciss
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dir keine Stunde mehr aufhalten! Ihr habt in eurem Leben Zeit zur Buße, jedoch ihr verharrt in Müßiggang und Hartherzigkeit, ihr habt kein Mitleid mit den Armen, ihr glaubt, ewig auf dieser Erde leben zu dürfen, ihr werdet hochmütig und glaubt schließlich, mächtig genug zu sein, um mit mir kämpfen zu können!«
    Da flehte der Mensch: »Meine Seele ist in großen Ängsten!
    Herr Tod, laßt mich in die Stadt gehen! Ich will ein Leichentuch kaufen; ich will Wohltätigkeit üben, ich will meinen Leib den Priestern übergeben, damit sie Messen für meine Seele lesen, ich will meinen ganzen Reichtum der Kirche lassen.« Der Tod aber antwortete: »Ich entlasse dich nicht, Mensch! Als du gesund warst, hast du nicht gebeichtet und hast von deinem Reichtum nichts für milde Taten
    hergegeben.« Da klagte der Mensch: »Weh über mich! O
    wilder Tod! Unwillkommener Bote! Wie kann ich dir noch entkommen?« Und er weinte bitterlich. Der Tod aber ergriff ihn und schlug mit seiner Sichel das Haupt ab und sägte mit einer Säge das Herz entzwei und hackte ihm Füße und Beine, Hände und Arme ab. Merket euch, ihr Menschen! Wenn einer siech ist und seine Augen werden glasig und er hat keine Macht mehr über sich und kann kein Wort mehr sprechen, dann sieht dieser Mensch den Tod! Er sieht zugleich einen Engel des Herrn, und er sieht alle Sünden, die er hienieden begangen hat. Er schaut auf sein Weib und auf seine Kinder, die um ihn weinen. Aber er kann nicht mehr zu ihnen sprechen vor Grauen, denn er erkennt alle seine Sünden. Der Tod reicht ihm eine Schale mit bitterem Trank, er flößt ihn dem Menschen ein, und die Seele verläßt den Leib in dieser Bitternis, im Angesicht aller, die um ihn weinen. Die gerechte Seele wird von Engeln zum Himmel getragen, die sündige Seele aber wird von Teufeln Qualen entgegengetragen, die sie sich selber bereitet hat.
    Darum soll jeder Mensch dreimal im Jahr beichten, milde Taten tun und fleißig zur Kirche gehen! Brüder, denkt an den Tod! Unser Leben hienieden ist kurz, das Jenseits ist ewig! Der Tod wird keinen verschonen! Ehre sei Gott nun und immerdar und in alle Ewigkeit!

    Märchenlegenden

    Der Schneider im Himmel

    AN EINEM SCHÖNEN Tag wollte der liebe Gott durch die himmlischen Gärten gehen. Er nahm alle Apostel und Heiligen mit; nur der heilige Petrus blieb im Himmel zurück. Der Herr hatte ihm befohlen, während seiner Abwesenheit niemanden einzulassen. So stand Petrus an der Pforte und hielt Wache.
    Nicht lange, da klopfte jemand an. Petrus fragte, wer da sei.
    »Ich bin ein armer ehrlicher Schneider«, antwortete eine feine Stimme, »und bitte um Einlaß.«
    »Ja, ehrlich«, rief Petrus, »wie der Dieb am Galgen, du hast lange Finger gemacht und den Leuten das Tuch abgezwickt.
    Du kommst nicht in den Himmel, der Herr hat mir im übrigen verboten, irgend jemand einzulassen, solange er draußen ist.«
    »Sei doch barmherzig«, flehte der Schneider, »kleine Flicklappen, die von selbst vom Tisch herabfallen, sind nicht gestohlen und nicht der Rede wert. Seht, ich hinke, ich habe von dem weiten Weg hierher Blasen an den Füßen, und ich war lange krank, und bin zu matt, um wieder umzukehren. Laß mich nur hinein. Ich will ja alle schlechte Arbeit tun. Ich will die Kinder tragen, die Windeln waschen, die Bänke, darauf sie gespielt haben, säubern und abwischen und ihre zerrissenen Kleider flicken.« Der heilige Petrus ließ sich von Mitleid bewegen und öffnete dem lahmen Schneider die
    Himmelspforte gerade so weit, daß er mit seinem dürren Leib hineinschlüpfen konnte. Er mußte sich in einen Winkel hinter der Tür setzen und sollte sich da still und ruhig verhalten, damit ihn der Herr, wenn er zurückkäme, nicht bemerkte und zornig wurde. Der Schneider gehorchte. Als aber der heilige Petrus einmal vor die Tür trat, stand er auf und ging voll Neugierde in alle Winkel des Himmels und sah sich
    gemächlich um. So kam er auch zu einem Platz, da standen viele schöne und kostbare Stühle und in der Mitte ein goldener Sessel, der mit funkelnden Edelsteinen besetzt war. Er war höher als die übrigen Stühle, und vor ihm stand ein goldener Fußschemel. Es war aber der Sessel, auf welchem der Herr saß, und von welchem aus er alles sehen konnte, was auf der Erde geschah. Der Schneider stand still und sah den Sessel eine gute Weile an, denn er gefiel ihm besser als alles andere.
    Endlich konnte er seine Neugier nicht mehr bezähmen, stieg hinauf und setzte sich. Da sah er alles,

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