Das Hausbuch der Legenden
wäre, der auch drei Wünsche frei hatte, der wußte sich zu helfen, der wünschte sich zuerst recht viel Bier, und zweitens so viel Bier, wie er trinken könnte, und drittens noch ein Faß Bier dazu!«
Manchmal meinte er, jetzt hätte er’s gefunden, aber hernach schien’s ihm doch zu wenig. Da kam ihm so in die Gedanken, wie es jetzt seine Frau gut hätte, die säße daheim in einer kühlen Stube und ließe sich’s gut schmecken. Das ärgerte ihn, und ohne daß er’s wußte, sprach er so hin: »Ich wollte, die säße daheim auf dem Sattel und könnte nicht herunter, statt daß ich ihn da auf meinem Rücken schleppe.« Und wie das letzte Wort aus seinem Munde kam, war der Sattel von seinem Rücken verschwunden, und er merkte, daß sein zweiter Wunsch auch in Erfüllung gegangen war. Da wurde ihm erst recht heiß, er fing an zu laufen und wollte sich daheim ganz einsam in seine Kammer setzen und auf etwas Großes für den letzten Wunsch sinnen. Wie er aber ankommt und die
Stubentür aufmacht, sitzt da seine Frau mittendrin auf dem Sattel und kann nicht herunter, jammert und schreit. Da sprach er: »Gib dich zufrieden, ich will dir alle Reichtümer der Welt herbeiwünschen, nur bleib da sitzen!« Sie schalt ihn aber einen Schafskopf und sprach: »Was helfen mir alle Reichtümer der Welt, wenn ich auf dem Sattel sitze; du hast mich
daraufgewünscht, du mußt mir auch wieder herunterhelfen!«
Er mochte wollen oder nicht, er mußte den dritten Wunsch tun, daß sie vom Sattel ledig wäre und heruntersteigen könnte; und der Wunsch ward alsbald erfüllt. Also hatte er nichts davon als Ärger, Mühe, Scheltworte und ein verlorenes Pferd; die Armen aber lebten vergnügt, still und fromm bis an ihr seliges Ende.
Gott weiß alles
VOR ZEITEN lebte ein Einsiedler still für sich in seiner Höhle und diente Gott. Eines Tages trieb ein Hirt seine Schafe auf die Wiesen vor der Höhle und ließ sie dort weiden. Nicht lange danach wurde der Hirt vom Schlaf überwältigt, so daß ein Dieb die ganze Herde wegtreiben konnte. In diesem Augenblick kam der Besitzer der Schafe dazu und fragte den Schäfer nach den Tieren. Der Hirt gab zu, daß er die Schafe verloren habe, er schwor aber, daß er durchaus nicht wisse, auf welche Weise sie verschwunden seien. Da geriet der Herr in Wut und erschlug ihn. Als der Einsiedler das sah, sprach er in seinem Herzen: »O mein Gott, dieser Mann hat einen Unschuldigen verklagt und getötet. Weil Du erlaubst, daß solches Unrecht geschieht, will ich wieder in die Welt gehen und leben wie die anderen.« Und er verließ seine Einsiedelei und ging in die Welt. Gott wollte den frommen Mann aber nicht verderben.
Darum schickte er ihm einen seiner Engel als Begleiter. Der Engel hatte Menschengestalt angenommen und traf den
Einsiedler schon auf der offenen Straße. Er grüßte ihn und fragte: »Wo gehst du hin?« Der Gottesmann erwiderte: »Ich will in diese Stadt, die vor uns liegt.« Da gab sich der Engel zu erkennen und sagte: »Ich bin ein Engel Gottes, der dich auf deinen Wegen begleiten soll. Laß uns zusammen gehen!« In der Stadt baten sie einen Krieger, sie für Gottes Segen zu beherbergen. Er nahm sie freundlich auf, bewirtete sie reichlich und ehrte sie wie altvertraute Gäste. Der Mann war nicht reich. Er hatte aber einen einzigen Sohn, der noch in der Wiege lag und den er zärtlich liebte. Nach dem Abendessen richtete die Hausfrau saubere Betten für die beiden fremden Männer, und man ging schlafen. Um Mitternacht aber stand der Engel auf und erwürgte den Knaben in seiner Wiege.
Wie der Einsiedler das sah, bekam er große Angst und dachte bei sich: Dieser Fremde ist nie und nimmer ein Engel. Der Soldat hat uns nur Gutes getan. Er hat mit uns geteilt, was er hatte. Sein größter Reichtum ist das unschuldige Söhnlein, und dieser Teufel hat es getötet. Aber er fürchtete sich so sehr vor diesem unheimlichen Wesen, daß er nicht wagte, etwas zu sagen.
Sie brachen sehr früh auf und überließen die noch
ahnungslose Familie ihrer freundlichen Gastgeber ihrem Schicksal. In der nächsten Stadt wurden sie im Hause eines wohlhabenden Bürgers ehrenvoll aufgenommen. Der Hausherr besaß einen schönen goldenen Becher, ein Geschenk seiner Freunde, das er besonders schätzte und auf das er sehr stolz war. Um Mitternacht aber stand der Engel auf und stahl den Becher. Diese Untat bestärkte den Einsiedler in der Meinung, daß er es mit einem bösen Geist zu tun habe. Aber er sagte nichts,
Weitere Kostenlose Bücher