Das Hausbuch der Legenden
sprang ab und traf den Fuß des Erhabenen, so daß Blut floß. Der Buddha hob seinen Blick und sagte zu Devadatta: »O du Tor! Große Schuld hast du auf dich geladen; denn du hast mit Mordgedanken das Blut des
Vollendeten fließen lassen!« Dann sagte er zu seinen Mönchen: »Dies ist die erste schwere Sünde, die Devadatta auf sich geladen hat und die er sofort büßen muß, weil sie nicht erst in einer künftigen Existenz gebüßt werden kann. Er hat mit schlimmen Hintergedanken, mit Mordgedanken das Blut des Vollendeten vergossen.« Zu dieser Zeit lebte in Rajagaha ein wilder Elefant, ein Elefant, der Menschen tötete. Devadatta und der Prinz gingen in den Elefantenstall und sagten zu den Elefantenwärtern: »Hört, ihr Männer! Ihr wißt, daß wir gute Freunde des Königs sind. Wir können bei ihm erreichen, daß einer von einer niederen Stellung in eine hohe gehoben wird.
Seine Verpflegung wird dann besser, die Goldstücke in seiner Hand vermehren sich. Darum hört uns gut zu! Wenn der Asket Gotama die Straße betritt, die hier an eurem Stall vorbeiführt, dann laßt den wilden Elefanten los, laßt den Elefanten auf diese Straße laufen!« Die Elefantenwärter hörten den Befehl des Devadatta und sagten: »Ja, Herr!«
An einem Morgen kleidete der Erhabene sich an, nahm die Almosenschale und warf sein Obergewand über die Schulter.
Er ging mit vielen Mönchen nach Rajagaha hinein, um
Almosen zu sammeln. So betrat der Erhabene die Straße, die am Elefantenstall vorbeiführte. Als die Elefantenwärter sahen, wie der Asket Gotama und seine Mönche die Straße
entlanggingen, da dachten sie an den Befehl des Devadatta. Sie ließen den wilden Elefanten los, sie ließen ihn durch jene Straße laufen. Der Elefant aber sah den Erhabenen, wie er von ferne auf ihn zukam. Sobald er ihn sah, hob er seinen Rüssel, seine Ohren richteten sich auf, er fuhr mit dem Schwanz hoch hinaus. Der Elefant setzte sich in Trab; er lief auf den Erhabenen zu. Als die Mönche sahen, wie der Elefant auf sie zukam, überfiel sie große Angst. Sie fürchteten sich sehr und sagten zu dem Asketen Gotama: »Herr, da läuft der wilde Elefant, der Menschen tötet; er läuft durch die Straße! Möge der Erhabene umkehren! Möge der Wohlwandelnde
umkehren!« Der Vollendete aber erwiderte: »O, ihr Mönche!
Fürchtet euch nicht! Fremde Gewalt bringt den Vollendeten nicht ums Leben. Das ist unmöglich, das ist ausgeschlossen!
Die Vollendeten, ihr Mönche, gehen unberührt von jeder Gewalt ins Nirvana ein!« Die Mönche nahmen diese Rede nicht an. Ihre Angst wuchs. Sie redeten den Erhabenen ein zweites Mal an, und der Erhabene gab ein zweites Mal dieselbe Antwort. Aber die Mönche glaubten immer noch nicht. Sie baten den Vollendeten ein drittes Mal. Aber sie erhielten zum dritten Mal dieselbe Antwort.
Die anderen Menschen, die in der Straße gingen, die
Menschen, die in den Häusern wohnten, stiegen in die Obergeschosse der Paläste oder auf die Dächer. Diese ungläubigen, diese unbekehrten, diese unerleuchteten Menschen sahen von oben, wie der Elefant auf den Erhabenen zulief. Sie sagten: »Der schöne Asket wird durch den Elefanten zu Schaden kommen. Der Elefant wird ihn in die Luft werfen, er wird ihn auf die Erde werfen, er wird ihn zertrampeln und töten.« Die wenigen gläubigen, die klugen, die bekehrten und erleuchteten Menschen aber erwiderten den ungläubigen: »Ihr werdet lange warten, ihr Guten, ihr werdet nicht erleben, daß der Elefant mit dem Elefanten kämpft!« Der Erhabene aber sandte dem wilden Elefanten die Kraft seiner freundlichen Gedanken entgegen. Der wilde Elefant wurde von der Kraft dieser freundlichen Gedanken getroffen. Er senkte seinen Rüssel und mäßigte seinen Lauf. Er trat vor den Erhabenen hin und blieb ruhig vor ihm stehen. Da berührte der Erhabene mit seiner rechten Hand die Erhöhung auf der Stirn des wilden Elefanten und sagte folgende Sprüche: Greife nicht den Elefanten an, mein Elefant! Den Elefanten anzugreifen, mein Elefant, bringt dir nur Leid! Denn wer den Elefanten schlägt, mein Elefant, für den gibt es kein Heil im Jenseits.
Sei auf der Hut vor wilder Brunst, sei auf der Hut vor Lässigkeit! Wer sich in Lässigkeit verliert, verliert das Heil!
Deine Taten aber werden Taten sein, die dich auf den Weg des Heils bringen werden.
Da hob der wilde Elefant mit seinem Rüssel den Staub vor den Füßen des Erhabenen auf und streute ihn sich über sein Haupt. Er beugte sich vor dem Vollendeten und
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