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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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sind Sie begnadigt. Gefällt Ihnen das, Herr Marineminister?«
    »Haben Sie eine Marine, Herr Minister?«
    Er schaute sich fragend um, wie einer, der etwas verloren hat.
    »Sicher nicht. Aber was bedeutet das schon. Der Oberst hat auch keine Armee mehr oder nur eine kleine. Ich selbst habe auch kein Gebiet mehr. Man kann sich endlich ernst nehmen. Jetzt fängt alles an, wirklich etwas zu bedeuten.«
    »Ich glaube, ich habe verstanden«, sagte Notaras. »Kann ich bei Euch mitmachen?«
    Mit freundschaftlichem Klatschen auf den Rücken wurde er aufgenommen und mußte alle Hände drücken, die sich ihm entgegenstreckten. Nachdem er so auf dem Ehrenfeld der Husaren von Chamborant und vom Kommando der Marine honoris causa feierlich anerkannt war, stieg er zu dem Dutzend auf den Lastwagen. Jetzt war eine Vereinigung echter Kumpels beisammen …
    Am Dorfeingang stiegen sie ab. Dragasès teilte seine kleine Truppe in zwei Haufen. Der eine blieb beim Lastwagen und erhielt den Namen »Strategische Basis«, was die Moral hob und eine ausgesprochene Fröhlichkeit auslöste. Das Kommando übernahm der Kapitän. Dazu brachte man das schwere Maschinengewehr auf einem kleinen Grabhügel in Stellung.
    Der andere Haufen, »Bewegliche Kolonne« genannt, bei dem sich Notaras, Jean Perret und der Oberst befanden, wurde als »Zange« in zwei Linien zu je drei Mann eingeteilt. Sie mußten als Schützen ausschwärmen und nach den Regeln städtischer Partisanen das Dorf auskundschaften. Wie im Kino gezeigt, gingen sie sprungweise vor, nach der Methode, ich decke dich, du springst, du deckst mich, ich springe. So ging es, bis sie an einer kleinen Treppe von fünf Stufen seitlich einer Terrasse angelangt waren. Sie kamen zum Ergebnis, daß im Dorf kein menschliches Wesen mehr da war. Plötzlich ertönte über ihnen eine spöttische Stimme.
    »Sind Sie im Manöver, oder was? Von hier aus kann man gut beobachten. Das ist aber unnötig. Außer mir finden Sie keine Person mehr.«
    Als Dragasès aufblickte, sah er einen alten Herrn mit weißen Haaren, der eine Leinenjacke trug und eine rotgetüpfelte Krawatte. Er stützte sich auf das Balkongeländer, als ob er an diesem friedlichen Frühlingstag frische Luft schöpfen wollte.
    »Wer sind Sie?« fragte der Oberst.
    »Calguès, pensionierter Professor der französischen Literatur.«
    »Aber was machen Sie denn da, bei Gott?«
    Der alte Professor machte ein ehrlich erstauntes Gesicht. Er war sogar peinlich berührt, daß man ihm eine solche Frage stellte. »Ganz einfach, ich bin hier zu Hause, Herr Oberst.«
    »Ganz einfach! Ganz einfach! Sie werden mir doch nicht einreden wollen, daß Sie nicht wüßten, was sich hier tut?«
    »Oh, ich weiß alles, ich habe alles gesehen«, sagte der alte Herr. Er deutete auf ein Fernrohr auf einem Stativ neben sich.
    »Und das macht nicht mehr Eindruck auf Sie?«
    »Es gefällt mir bei mir. Warum sollte ich weggehen. In meinem Alter mag man nicht gern Veränderungen.« Dies alles sagte er mit einer spöttischen Miene. Der Oberst konnte es nicht fassen.
    »Das ist ein sehr gutes Fernrohr«, fuhr der alte Herr fort. »Es vergrößert siebenfach. Heute morgen um sechs Uhr haben Sie im Garten ihrer Villa eine Handbewegung gemacht. Sie haben auf mich und mein Dorf gedeutet. Ich habe sofort verstanden. Später, als Sie in Ihren Lastwagen stiegen, habe ich Sie gezählt. Zwölf.«
    »Dreizehn«, verbesserte der Oberst. »Seit der letzten Kehre. Und jetzt sind wir vierzehn«, fügte er lächelnd hinzu.
    »Zwölf oder vierzehn, das spielt keine Rolle. Es sind noch genug für die ganze Welt da. Haben Sie keinen Hunger?«
    »Hunger? Durst? Meinen Sie das ernst?«
    Der Greis verbeugte sich komisch, indem er einen höfischen Kratzfuß machte.
    »Herr Minister, Herr Oberst, das Frühstück steht bereit.«
    Auf der Treppe gab es einen Ansturm. Jungens! Der Unterricht ist zu Ende. Zurück zum Leben! An dem zur Terrasse führenden Türchen hielten sie plötzlich, völlig verblüfft. Ein Frühstück? Der alte Herr hat wohl einen Hang zum Euphemismus? Auf einem großen langen Tisch, der mit einer karierten Tischdecke geschmückt war, standen Pyramiden von sehr nett aufgebauten feinen Sandwiches, dann feine rote Schinkenschnitten auf riesigen Platten, Schalen dunkler Oliven, verschiedene Teller mit Gurken, Essigzwiebeln, Tomaten, harte Eier in Scheiben. Anchovis in Rosettenform, feingeschälter Ziegenkäse, von allem soviel, wie etwa benötigt wurde. Dazu Wurstsorten, Gänseleber in

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