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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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falsch, aber diesmal aus vollem Herzen.«
    Sie brüllten wie Verlorene. Ihre Stirnadern waren dem Platzen nahe, der Hals geschwollen und das Gesicht scharlachrot. Sie machten mehr Lärm als eine siegreiche katholische Armee, wenn sie in einer Kathedrale das Te Deum singt. In den Kurven schwankte der Lastwagen. Dann schaukelte er nach rechts, wobei seine Doppelreifen fröhlich bis an den Rand der Abhänge rutschten. Der Fahrer bediente das Lenkrad im Takt der Melodie und spielte mit Händen und Armen dazu. Der Offizier vom Kommando trommelte mit seinen Fäusten auf dem Armaturenbrett herum. Bei der Stelle »nichts von nichts« zitterte der Boden des Lastwagens unter den Stößen der Gewehrkolben. Wenn man eine Analyse der inneren Gefühle dieser Schreier machen könnte, so wäre zunächst ihr Freudentaumel zu erwähnen. Der ganze Stamm feierte seine Geschlossenheit. So gering seine Zahl auch ist, er pfeift auf den Rest der Welt. Aber er verrät auch eine Art Angst, wie das Kind, das nachts auf dem Weg laut brüllt, um zu vergessen, daß es allein ist, oder wie der einsame Schiffbrüchige in seinem Boot, der irgend etwas singt, um sich am Leben zu erhalten. So etwas war auch hier der Fall. Die jungen Husaren blickten auf die Bäume in den Feldern und sahen nirgends einen Vogel. Selbst die diebischen Elstern und Raben waren geflohen. Die mit Brettern vernagelten Fensterläden der Winzerhäuser zeugten von der großen Furcht vor der Katastrophe. Es fehlten nur noch die schwarzen Kreuze, mit denen man einst die Wohnungen der Pestkranken gekennzeichnet hatte. Über der ganzen verlassenen Landschaft glühte die Sonne, wie sie ein paar Jahre zuvor auf dem Mond brannte, als Johnson und White sie beobachtet haben, den Tod vor Augen neben ihrem zerstörten Raumschiff.
    »Scheiße!« sagte der Fahrer. »Das darf nicht wahr sein! Ein Lumpenkerl. Und ich habe ihn nicht gesehen!«
    Sofort waren alle still. Robinson hat Spuren vom Karfreitag entdeckt. Der Mond ist bewohnt. Sechs Räder stehen still. Kurzes Schleudern. Aufheulen des Getriebes. Rückwärtsgang rein. Ein Ganove! Sie lehnten sich alle auf der gleichen Seite hinaus. Freund? Feind? Dragasès nahm seine Maschinenpistole in die Hand.
    Da war tatsächlich einer, der friedlich am Straßenrand stand und mit dem Daumen ein Zeichen gab. Zweifellos genoß er belustigt die Situation, denn er lachte dabei. Er war von weißer Rasse, hatte ein offenes Gesicht, war aber wie ein Vagabund gekleidet. Seine Physiognomie sagte einiges aus.
    »Nehmen Sie mich mit, Herr Oberst?« fragte er in einem Ton, als ob die Antwort von selbst käme.
    »Und wo gehen Sie hin um diese Morgenstunde, mein Lieber?« antwortete der Oberst, der sich auf das Spiel einließ.
    »Oh! Ich? Seit ich Sie suche und jetzt gefunden habe, habe ich kein Problem. Ich gehe dahin, wohin Sie gehen. Sie sind wohl Oberst Konstantin Dragasès, der Stabschef der Armee und Oberkommandierender der Ordnungsstreitkräfte im Südraum?«
    Er machte ein wenig den Eindruck, als ob er sich über die Welt lustig machen würde. Der feierliche Ton, mit dem er sprach, gefiel den andern. Man fühlte sich schon als Komplizen. Übrigens hatten ihn alle wiedererkannt, trotz des Bartes, der sein Gesicht verdeckte. Ein ganzseitiges Foto in einer Zeitung vergißt man nicht so leicht, besonders wenn man sich an das Rachegeschrei erinnert, das ihn verfolgte. Dragasès setzte im Stil offizieller Besuche das Wortspiel fort.
    »Herr Minister, ich stelle Ihnen Herrn Kapitän Luc Notaras vor, Grieche und Kommandant des Frachtschiffs ›Insel Naxos‹. Erinnern sie sich?«
    »Der Mann mit den roten Händen«, ergänzte Notaras mit bescheidenem Lächeln. »Das blutrünstige Frachtschiff. Der Völkermord auf den Lakkadiven.«
    »Das versteht sich von selbst«, pflichtete der Minister bei. »Hübsche Liste. Meine Glückwünsche. Ich kenne meine Klassiker. ›Wir werden nie Notaras sein!‹ und so fort. Man könnte sagen, es sind schon hundert Jahre vergangen. Waren Sie nicht im Gefängnis?«
    »Im Zentralgefängnis in Aix, Herr Minister. Am Samstag waren keine Wächter mehr da. Davongelaufen und alle Türen offen. Ich bin aufs Geratewohl hierher. Hatte eine Vermutung. Von oben sah ich Sie kommen. Da habe ich mir gesagt, was für ein Glück. Die nehmen mich als Anhalter mit.«
    »Gut! Steigen Sie auf!« sagte der Staatssekretär belustigt. »Ich weiß nicht, ob ich als Gauleiter von Südfrankreich das Gnadenrecht ausüben kann, aber unter diesen Umständen

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