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Das Heerlager der Heiligen

Das Heerlager der Heiligen

Titel: Das Heerlager der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Raspail
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Brautschleier getragen wird …? Diese drei Aushänge hatte der alte Herr Calguès sorgfältig in einer Mappe aufbewahrt, da er seine Funktionen als »Kultusminister« sehr ernst nahm. Denn was ist überhaupt Kultur anderes als ein pietätvolles Inventar der Vergangenheit?
    In den ersten beiden Tagen zeigte die Jagdtafel ein beachtliches Ergebnis. Der Unteroffizier der Husaren gab sich alle Mühe, sie auf dem laufenden zu halten. Er malte mit dem Pinsel kleine, hübsche, einwandfreie Balken. Daraus konnte man alles erkennen. Immer diese gute alte Tradition mit den Kerben auf dem Gewehrschaft oder mit den gezeichneten Bomben auf dem Leitwerk der Flugzeuge oder den Balken auf den Panzern! Einwanderer vom Ganges: hundertsiebenundsiebzig Balken. Assimilierte: sechzehn Balken.
    »Was bezeichnen Sie mit ›Assimilierte‹, Herr Unteroffizier?«
    »Alle Weißen auf Seiten der Schwarzen, Herr Oberst. Als ich im Tschad diente, habe ich erlebt, wie einige uns in den Rücken schossen. Wir nannten sie ›Eingenegerte‹.«
    »Wie gemein!« sagte der Oberst. »Aber was ist der Unterschied zwischen beiden?«
    »Sehr einfach, Herr Oberst. Die Vernegerung geht voraus. Assimilierung ist schon das zweite Stadium. Das ist kein Widerspruch, sondern ein Endzustand. Und da man sie tötet, kann man sie auch vorschriftsmäßig in der richtigen Rubrik einreihen. Heute neun Stück mit einem Schlag. Ohne die zweiundvierzig Typen vom Ganges zu zählen. Der Rest der Bande ist unter Mitnahme der Verwundeten davongelaufen.«
    »Man wird sie sobald nicht mehr sehen«, sagte der Oberst. »Wenigstens nicht vor den Flugzeugen.«
    »Flugzeuge? Was für Flugzeuge?« warf der Minister ein.
    »Gewiß Flugzeuge mit einer blauweißroten Kokarde! Es sei denn, sie nehmen sich Zeit, die Kokarde zu ändern, aber wozu auch? Ich selbst habe kein Flugzeug. Kein Risiko für sie, sich gegenseitig abzuschießen. Nun, ich wette, daß man das erste vor Ende der Woche zu sehen bekommt.«
    Auf dem Platz, wo sich »die Regierung« unter den Bäumen erfrischte, saß der Oberst auf einer alten Bank. Sein Funkgerät knisterte.
    »In Fontgembar sind Leute«, hörte man den Kapitän des Kommandos sprechen.
    »Nur Assimilierte. Vermutlich vier oder fünf. Ich sehe sie schlecht, sie verstecken sich.«
    »Gut! Auf was warten Sie noch? Holen Sie sie doch raus, wenn sie derart Schiß haben. Zu zweit gelingt Ihnen das doch!«
    »Das ist es nicht, Herr Oberst. Sie geben keinen Schuß ab. Sie haben sogar ein weißes Taschentuch am Ende eines Stockes befestigt und schwenken es schon zehn Minuten lang durch das Guckloch des Tores.«
    »Fordern Sie sie auf, mit erhobenen Händen herauszukommen, ich komme. Aber Vorsicht, es könnte eine Falle sein … Gehen Sie mit, Herr Minister?«
    »Aber gern! Deshalb sind wir ja da!«
    Sie waren zu viert. Der erste, ein alter, aufrecht gehender Herr mit blauen Augen und weißen Haaren, die in Bürstenform geschnitten waren, im Gegensatz zu seinem Schnurrbart, der nach gallischer Art herunterhing, hielt unter dem Arm eine antike, einschüssige Entenflinte, die friedfertig entzwei war. Am Lauf hing ein weißes Taschentuch. Mit der freien Hand gab er Zeichen freundschaftlicher Einstellung. Dazu wiederholte er immer wieder: »Es ist nicht zu früh! Es ist nicht zu früh! Aber es gibt nur einen Weg und Ihr schießt ja auf alles, was sich bewegt. So haben wir es für richtig gehalten, zu warten …« Er stellte sich vor: »Jules Machefer, Chefredakteur des eingegangenen Blattes ›La Pensée Nationale‹ auf der Flucht, aber im guten Sinn!« Nach dieser Erklärung brachte man ihm eine Ovation dar, wenn man dieses geschwollene Wort bei einer so kleinen Menge überhaupt anwenden kann. Es waren ja nur vier Personen da, der Oberst, der Minister, der Kapitän und sein Kommando, das nur aus einem Soldaten bestand.
    Der Anblick der zweiten Person löste einige Überraschung aus. Nicht so sehr wegen ihrer anachronistischen Erscheinung, sondern wegen der Komik der Ausstaffierung. Es war ebenfalls ein alter Herr, etwas gebeugter als Machefer. Dennoch drückte er die entgegengestreckten Hände sehr kräftig. »Herr Herzog von Uras«, stellte der Journalist vor. Der Herzog sah aus, als ob er sich in aller Eile mit dem, was ihm gerade in die Hände fiel, angezogen hatte. Wochenendhose aus Flanell und solide Wanderschuhe, was noch gut ausgewählt schien. Dann aber unter einem weißen Ledergürtel ein Jagdgewand der Jägermannschaft von Uras, mit Silberknöpfen, welche

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