Das heilige Buch der Werwölfe
dass ich aus alter Gewohnheit auf Ähnliches gefasst war, als ich mich mit Pawel Iwanowitsch in ein Gespräch über Nabokov einließ. Das Ergebnis sah allerdings anders aus.
Bei der nächsten Séance bat Pawel Iwanowitsch darum, das Honorar schuldig bleiben zu dürfen; er habe gerade einen neuen Kühlschrank gekauft. Er äußerte sein Anliegen im Ton eines Geheimbündlers und erprobten alten Wandergefährten durch geistiges Hochland. Ein Dichter hätte so sprechen können, der den Zunftbruder um ein Fläschchen Tinte anging. Ich brachte es nicht über mich, ihm die Bitte abzuschlagen.
Der neue Kühlschrank, der die Hälfte seiner Küche einnahm, glich dem Vorsprung eines Eisbergs, der die Bordwand durchschlagen und sich in den Schiffsraum hereingeschoben hat. Trotzdem war der Kapitän besoffen und guter Dinge. Etwas, das mir schon vor längerem aufgefallen ist: Nichts kann einen Vertreter der russischen geisteswissenschaftlichen lntelligenzija (ein Intellektueller mochte Pawel Iwanowitsch nicht sein) mehr erfreuen als der Erwerb eines neuen elektrischen Haushaltgerätes.
Betrunkene kann ich nicht leiden. Darum gab ich mich ein bisschen verdrießlich. Er führte es wohl darauf zurück, dass die Züchtigung auf Pump erfolgte, und drang nicht weiter in mich. Wir kamen wortlos zur Sache, wie ein eingespieltes estnisches Seglerteam: Er händigte mir die ausgefranste Peitsche aus, die er in einer Tennistasche mit Autogramm von Boris Becker aufbewahrte, zog sich aus, machte sich auf der Pritsche lang und schlug die neueste Nummer des Wirtschaftsmagazins Expert auf.
Langsam schwante mir, dass darin weder eine Geringschätzung meiner Kunst zum Ausdruck kam, noch die übermäßige Liebe zum gedruckten Wort. Offensichtlich paarte sich in seiner Seele die Bußfertigkeit gegenüber dem Jungen Russland mit noch ganz anderen Vibrationen, von denen ich nichts wusste; nicht alle Geheimnisse seines Innenlebens hatte er mir enthüllt. Ich für mein Teil gab mir keine Mühe, tiefer dorthin vorzudringen, als das Geschäft es vorsah, und stellte daher auch keine Fragen. Alles lief wie gewohnt: Ich ließ die imaginäre Peitsche auf seinem Hintern niederklatschen und hing dabei meinen Gedanken nach, er brummelte etwas in seinen Bart, manchmal fing er zu stöhnen an, manchmal lachte er. Es war öde, ich kam mir vor wie eine Odaliske im orientalischen Harem, die mit gemessenem Fächerschwung die Fliegen vom Schmerbauch ihres Herrn wedelt. Da hörte ich ihn plötzlich etwas sagen.
»Nicht zu fassen. Wie kann ein Anwalt so einen Namen haben: AntonDrel 2 . Dass er daran nicht schon längst zugrunde gegangen ist… Bestimmt haben sie ihn in der Schule gehänselt deswegen … Leute mit solchen Namen wachsen mit einer psychischen Macke auf, unter Garantie. AlleKoslows 3 zum Beispiel brauchen einen Psychotherapeuten, das sagt Ihnen jeder Experte.«
Natürlich hätte ich den Gesprächsfaden nicht aufnehmen dürfen – es gab keinen Grund, den geschäftlichen Rahmen der Situation zu sprengen. Namen sind für mich aber ein so wunder Punkt, dass ich mich wieder einmal nicht beherrschen konnte.
»Das ist nicht wahr«, sagte ich. »Heißen kann man sonst wie. Ich habe eine Freundin, die hat einen sehr unvorteilhaft klingenden Namen. So unvorteilhaft, dass Sie lachen würden, wenn ich ihn verriete. Man könnte ihn beinahe unflätig nennen. Sie selbst hingegen ist schön, klug und eine Seele von Mensch. Ein Name allein ist noch kein Urteil.«
»Könnte es sein, Süße, dass Sie Ihre Freundin nur nicht gut genug kennen? Wenn in ihrem Namen ein Unflat steckt, dann kriecht er im Leben unweigerlich hervor. Warten Sie es ab, sie wird sich noch entpuppen … Vom Namen hängt alles Weitere ab. Eine wissenschaftliche Hypothese besagt, der Name eines jeden Menschen sei ein suggestiver Urbefehl, der in extrem konzentrierter Form das gesamte Lebensszenario vorschreibe. Können Sie sich unter einem suggestiven Befehl etwas vorstellen? Unter Suggestion im Allgemeinen?«
»So in groben Zügen«, erwiderte ich und zog ihm in Gedanken besonders kräftig eins über.
»Uff… Folgt man dieser Sichtweise, so ist die begrenzte Anzahl von Namen darauf zurückzuführen, dass die Gesellschaft nur eine begrenze Anzahl Menschentypen benötigt. Einige wenige Typen Arbeits- und Kampfameisen, wenn man so will. Und die Psyche eines jeden Menschen wird von den assoziativsemantischen Feldern vorprogrammiert, die durch Vor- und Zuname aktiviert werden.«
»So ein Quatsch«,
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