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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Andenken.
    Wandle dich!
    WOLF-FLOW!
    Oberst Lebedenko
     
    Ich klappte den Hefter zu, schob ihn Monica wieder unter und setzte die Wohnungsbesichtigung fort. Dass ich neben der Hi-Fi-Anlage gleich mehrere CDs mit Einspielungen ein und derselben Oper: RICHARD WAGNER. DER RING DES NIBELUNGEN. Götterdämmerung fand, konnte mich schon nicht mehr verwundern. Das nächste interessante Objekt, das mir unter die Augen kam, war ein dickes graues Heft, das zwischen Wand und Sofa auf dem Fußboden lag – als hätte jemand vor dem Einschlafen darin geblättert und es dann einfach fallen lassen. Streng geheim! Expl. No.9 , stand auf dem Umschlag, darunter: Shitman-Projekt und: Zum internen Gebrauch!
    Im ersten Moment kam ich nicht darauf, den seltsamen Projektnamen mit der Geschichte des verrückten Shakespeareforschers in Zusammenhang zu bringen, von dem Pawel Iwanowitsch mir erzählt hatte. Meine Gedanken preschten zunächst in ganz anderer Richtung vor: Da sieht man sie wieder, die kulturelle Dominanz Amerikas, dachte ich mir. Superman, Batman und noch ein paar solcher Filme, schon beginnt der Verstand die Wirklichkeit von ganz allein nach ihrem Vorbild zu klischieren. Was ließe sich dem entgegenstellen?, fragte ich mich. Projekt Kleines Russisches Arschloch? Ob da wirklich jemand nächtelang für wenig Geld drüber brüten und schwitzen möchte? Dieses kleine russische Arschloch im schlecht sitzenden Anzug ist schuld am Untergang des sowjetischen Imperiums. Die menschliche Seele hat eine schöne Verpackung nötig, die russische Kultur hat sie nicht eingeplant, nennt diesen Mangel duchovnost 6 . Alles Unglück rührt daher …
    Das Heft schlug ich gar nicht erst auf. Eine Abneigung gegen Geheimdokumente habe ich mir aus Sowjetzeiten bewahrt: Sie bringen einem nichts – außer, wenn man Pech hat, Probleme bis dorthinaus.
    Stattdessen wurde meine Aufmerksamkeit von ein paar seltsamen Graphiken an der Wand angezogen: Runen, entweder mit sehr breitem Pinsel oder aber mit der bloßen Hand gemalt. Sie erinnerten an chinesische Kalligraphien in ihrer gröbsten und expressivsten Form. Zwischen zweien dieser Runen hing ein Mistelzweig – wie man aus der Unterschrift erfuhr: Zu sehen war nur ein dürrer, angespitzter Stock.
    Interessant war auch die Zeichnung des Teppichs, eine Schlacht zwischen Löwen und Wölfen darstellend, wohl die Kopie eines römischen Mosaiks. Auf dem einzigen Bücherbord standen fast nur gewichtige Bildbände ( The Splendour of Rome, The New Revised History of the Russian Soul, Origination of Species and Homosexuality und ein paar von schlichterer Thematik: Autos, Waffen und so weiter). Wobei mir klar war, dass die Bücher auf solchen Borden nichts über die Geschmäcker der hier Wohnenden aussagen, sie werden von Innenarchitekten ausgewählt.
    Nach beendetem Rundgang trat ich vor die Glastür, die auf das Dach hinausführte. Von hier bot sich ein hübscher Ausblick. Unten die dunklen Löcher der vorrevolutionären Hinterhöfe, kosmetisch behandelt. Darüber hinausragend ein paar phallische Neubauten, die weich und fließend in die historische Umgebung einzupassen man sich Mühe gegeben hatte – die Folge war, dass sie aussahen wie in Gleitmittel getaucht. Dahinter der Kreml, der seine alten Gemächte mit Goldkugelpiercing majestätisch in die Wolken ragen ließ.
    O je, dieser Scheißjob ruiniert mir die Wahrnehmung der Welt!, dachte ich. Aber was heißt schon »ruiniert«. Uns Werfüchsen kann dies alles einerlei sein – wir stehen über den Dingen, gehen leicht und flüchtig wie ein asiatischer Regenschauer darüber hinweg. Der Mensch hat es dagegen schwer. Die geringste Abweichung vom gehüteten Idealbild der Nation, und dieses Land f… dich in den Arsch. Ein Theorem, das dir jedes aus der Nähe betrachtete Menschenschicksal bestätigt, da kann das tägliche Fest des Lebens noch so viele Glamourüberzüge verpasst kriegen. Ich muss es wissen, ich hab genug davon gesehen. Und warum ist das so? Man hat so seine Vermutungen, doch ich möchte mich in dieses Thema lieber nicht vertiefen. Wahrscheinlich wird man hier nicht zufällig hineingeboren, o nein … Und keiner kann dem Anderen helfen. Ob die Moskauer Sonnenuntergänge mich deshalb immer so traurig stimmen?
    »Klasse Aussicht von hier oben, nicht wahr?«
    Ich drehte mich um. Er stand in der Fahrstuhltür, eine pralle Tüte im Arm. Bedruckt mit einer grünen Schlange, die sich um einen Kelch windet.
    »Jod gab es keins«, sagte er besorgt, »sie

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