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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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haben mir Fuxidin gegeben. Das wäre dasselbe, bloß in Orange, haben sie gesagt. Vielleicht ist das für unseren Fall sogar besser, dachte ich mir – fällt nicht so auf neben dem Schweif…«
    Mir war nach Lachen zumute, ich wandte mich schnell ab, zum Fenster hin. Er kam näher, stellte sich neben mich. Eine Zeit lang betrachteten wir schweigend die Stadt.
    »Im Sommer ist es hier schön«, sagte er. »Du legst Zemfira Ramasanowa auf, siehst nach draußen und hörst sie singen: Geliebte Stadt, wir sehn uns wieder! Wir sind dem Zauber deiner Nacht verfallen … Wer ist wir? Sind da die Alkoholiker oder die Junkies gemeint?«
    »Du musst mich nicht belabern, hörst du.«
    »Dir scheint es schon besser zu gehen.«
    »Ich will nach Hause«, sagte ich.
    »Und das hier? …« Er deutete auf die Tüte.
    »Nicht nötig, vielen Dank. Vielleicht bringen sie dir Schtschors vorbei, den kannst du pflegen. Vorn das rote Banner weht, wer schleicht hinterher? Seinen Kopf trägt unterm Arm Schtschors, der Kommandeur … Ich geh dann mal.«
    »Michalytsch fährt dich.«
    »Dein Michalytsch kann mir gestohlen bleiben, ich finde selber nach Hause.«
    Ich stand schon vorm Fahrstuhl.
    »Wann kann ich dich wiedersehen?«, fragte er.
    »Weiß nicht«, sagte ich. »Ruf so in drei Tagen an. Wenn ich bis dahin nicht gestorben bin.«
     

Nach dem Koitus sind alle Tiere traurig, sagten die alten Römer. Mit Ausnahme des Werfuchses, möchte ich hinzufügen. Und der Frau. Das wusste ich nunmehr genau.
    Womit ich nicht sagen will, dass die Frau zu den Tieren zählt. Das Gegenteil ist der Fall: Der Mann in all seinen Lebensäußerungen, den Gerüchen und Geräuschen, die er absondert, seiner Körperlichkeit, wie auch in der Wahl der Mittel, mit denen er für sein privates kleines Glück kämpft (ganz zu schweigen davon, was er für sein privates kleines Glück hält), ist dem Tier sehr viel näher. Doch wird dieser alte Römer, der seine Laune nach dem Liebesakt zum Sinnspruch erhob, ein so eingefleischter Sex-Chauvinist gewesen sein, dass er an die Frau gar keinen Gedanken verschwendete – die Gerechtigkeit sei darum hier wiederhergestellt.
    Für besagte Sentenz sind mindestens vier Herleitungen möglich:
     
    1. Die Römer sahen in der Frau nicht einmal ein Tier.
    2. Die Römer sahen in der Frau sehr wohl ein Tier, doch koitierten sie mit ihr in einer Weise, die die Frau tatsächlich traurig machte. (Sueton zum Beispiel berichtet, dass das Gesetz es untersagte, Jungfrauen zu strangulieren, weshalb der Henker sie vor der Hinrichtung erst noch schändete – wenn das kein Grund zur Trauer sein soll…)
    3. Die Römer sahen das Tier nicht in der Frau, sondern nur im Manne. Für so eine edelmütige Sicht der Dinge könnte man den Römern so manches nachsehen – von ihrem Flitz mit den Jungfrauen und dem Strang einmal abgesehen.
    4. Die Römer interessierten sich weder für Frauen noch für Metaphern, ihre Leidenschaft entzündete sich an Hausvieh und Geflügel, welches diese Neigungen nicht erwidern und seine Gefühle nicht verhehlen konnte.
     
    Jede dieser Erklärungen mag ein Körnchen Wahrheit enthalten – was wird nicht alles vorgekommen sein in den Jahrhunderten, die das Reich bestand. Ich aber war ein glückliches Tier.
    Während der letzten anderthalb Jahrtausende hatte ich den Komplex einer alten Jungfer entwickelt – natürlich nicht den Menschen gegenüber, deren Meinung mir herzlich gleichgültig war, doch innerhalb unserer kleinen Werfuchs-Community. Mir war es manchmal so vorgekommen, als würde hinter meinem Rücken über mich getuschelt. Und das nicht ohne Grund: Alle meine Schwestern hatten ihre Unschuld noch im Altertum verloren, bei verschiedenster Gelegenheit. Die interessanteste Geschichte war Schwester I passiert: Sie wurde von einem Nomadenanführer gepfählt und hatte tapfer drei Tage und Nächte lang eine Agonie vorgetäuscht. Erst als die Nomaden besoffen waren, gelang es ihr, in die Steppe zu fliehen. Hierin hatte vermutlich auch ihr unauslöschlicher Hass auf die Aristokratie seine lieferen Wurzeln, der nun schon so viele Jahrhunderte in immer wieder neuen, obskuren Formen zutage trat…
    Zugegeben, ein bisschen traurig war ich auch. Wie schon im neunzehnten Jahrhundert meine Bordsteingenossin, die Gymnasiastin Mascha aus Nikolajewo, sagte: Er kommt nicht zweimal in denselben Schrein. (Zu meiner Scham muss ich gestehen, den Spruch damals missverstanden und lange Zeit auf lärm-frohes männliches Sexualverhalten

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