Das heilige Buch der Werwölfe
über ihren zappelnden fetten Leib nur noch sehr bedingt freuen können. Das heißt, sie könnte, wenn sie wüsste, womit.
Eure Welt wird bald so sein wie unsere (jedenfalls für die, die das Erdöl zu uns rüberpumpen dürfen). Noch aber existieren dort drüben bei Euch Grauzonen, in deren Ambivalenz man sich flüchten kann. Dort kann ein Seelchen wie Deines wenn schon nicht sein Glück, so doch sein inneres Gleichgewicht finden. Wenn andere solche Ambivalenzzonen für Dich schaffen, dann freue Dich und genieße sie, solange sie noch da sind. Die Welt wird nicht immer so bleiben. Lass Dir das – in Erwiderung auf Deine Predigt – von mir gesagt sein!
Nun zu den englischen Männern. Aus den kurzen Begegnungen im National solltest Du Dir kein Bild machen. Hier sind sie vollkommen anders. Erinnerst Du Dich an Yuan Mei, den Schwester E im Jahre 1739 ehelichte? Du hast ihn bestimmt nicht vergessen: ein Gelehrter an der Hanlin-Akademie, der die mandschurische Sprache studierte und Geschichten über das Böse sammelte … Er wusste übrigens, wer Schwester E in Wirklichkeit ist. Eben darum hat er sie geheiratet. Sein Buch (es hieß Wovon Konfuzius nicht sprach ) besteht zur Hälfte aus ihren Erzählungen, doch gibt es auch interessante ethnographische Schilderungen darin. Zur damaligen Zeit hat man England noch als das Land der Rothaarigen bezeichnet. Lies einmal, was Yuan Mei über die Engländer geschrieben hat – ich gebe Dir den Absatz ungekürzt wieder:
407. Die Bewohner des Landes der Rothaarigen bespucken Sängerinnen
Die Bewohner des Landes der Rothaarigen treiben des Öfteren mit Sängerinnen ihre liederlichen Späße. Veranstalten sie Gelage, laden sie Sängerinnen dazu, entkleiden sie, setzen sich im Kreis um sie herum und spucken ihnen auf die intime Stelle. Größerer Nähe bedürfen sie nicht. Wenn das Spucken zu Ende ist, werden die Sängerinnen großzügig belohnt (solches heißt: Geld aus dem großen Topf) und entlassen.
Dieser Bericht, so historisch unglaubwürdig er einem vorkommen mag, widerspiegelt erstaunlich präzise die Handlung, die der englische Aristokrat an der sich ihm offenbarenden weiblichen Seele begeht. (Glücklicherweise lässt das hiesige Bildungssystem mit seinen Privilegien die Mehrzahl von ihnen schon in zarter Jugend homosexuell werden.) Früher, wenn ich den Engländern so zusah, habe ich mich immer gefragt: Was mag hinter diesem undurchdringlichen, mit den Jahrhunderten stahlgewordenen Arroganzpanzer wohl stecken? Aber dann begriff ich: Dahinter steckt nichts als die oben beschriebene simple Handlung. Dieser Minimalismus ist das Unterpfand für die Stabilität der hiesigen Weltordnung.
Glaub mir, bist Du erst einmal in London, wirst Du Dich als Spucknapf fühlen, einsam wandelnd zwischen all den Dir in die Seele rotzenden Snipers, für die die Gleichberechtigung der Frau nur den Wert hat, damit »Geld aus dem großen Topf« zu sparen.
Und was das Überwertier angeht … Da scheinst Du mir etwas zu sehr in Nabelschau befangen, weißt Du. Überleg doch mal: Wenn alles Wesentliche nur in uns selbst läge, wozu gäbe es dann überhaupt noch eine äußere Welt? Oder glaubst Du, dass von ihr keine Überraschungen mehr zu gewärtigen wären und es daher genügte, auf einem staubigen Meditationsteppich vor der Wand zu hocken und jeden Anflug eines Gedankens abzuwehren wie ein Schwimmer die toten Quallen? Und wenn nun plötzlich der Goldene Butt dazwischen auftaucht? Mir scheint, diese Welt abhaken zu wollen, ist es noch zu früh. Könnte sein, dass man sich nur selber damit abhakt. Weißt Du, was mein Männlein gestern zu mir sagte? »Das Überwertier wird kommen, und du wirst es sehen, so deutlich, wie du mich hier stehen siehst.« Selbst wenn ich Dir also insgeheim Recht gäbe – wie könnte ich einem Oberhaupt aus dem Hause Cricket widersprechen? :-=))) Aber weißt Du was, meine Liebe, lass uns das alles diskutieren, wenn wir uns sehen. Nächste Woche kommen Brian und ich nach Moskau – Handy nicht ausschalten!
Ich liebe Dich und denk an Dich,
Deine I
Ich las den Brief und schüttelte den Kopf. Da sollte es wohl demnächst jemandem an den Kragen gehen. Das Zeichen :-=) (es sah aus wie Kriegsverbrecher Hitler, wenn er grinste) war einer von I Hulis gängigen Zinken. Er bedeutete, dass sie etwas Böses und Gemeines ausheckte. Was hätte man vom gnadenlosesten Werfuchs der ganzen Familie auch anderes erwarten sollen? So ist sie immer, dachte ich. Du bittest
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