Das heilige Buch der Werwölfe
war das schon einmal vorgekommen, und ich weiß es noch wie heute. Aber ihr Satz brachte mir unverhofft mein letztes Rendezvous mit Alexander in Erinnerung. Ich wurde rot. Was I Huli nicht verborgen blieb.
»Oho!«, sagte sie, »du kannst immer noch so schön rot werden wie vor tausend Jahren. Geradezu beneidenswert! Wie machst du das bloß? Dafür muss man vermutlich noch Jungfrau sein?«
Das Seltsame ist, dass ich ausschließlich in Gegenwart anderer Werfüchse erröte, im Umgang mit Menschen kommt es nie dazu. Eigentlich bedauerlich – man hätte die Tarife deutlich erhöhen können.
»Jungfrau? Bin ich nicht mehr«, sagte ich und errötete noch tiefer.
»Sag bloß!« Vor Verblüffung ließ I Huli sich nach hinten gegen die Sofalehne fallen. »Los, erzähle!«
Endlich konnte ich dem Drang nachgeben, die Story jemandem anzuvertrauen – die nächste halbe Stunde ging dafür drauf, mein übervolles Herz auszuschütten.
Während ich die prickelnden Details meiner affaire hererzählte, runzelte I Huli die Stirn, lächelte, nickte, hob manchmal gar den Zeigefinger, als wie: Hab ich es dir nicht oft genug gesagt! Und als ich fertig war, sprach sie: »Na siehst du. Nun ist es dir also auch passiert. Ob tausend Jahre früher oder später, was macht das schon … Gratuliere!«
Ich nahm eine Serviette vom Beistelltisch und knüllte sie zu einem Papierball, den ich nach meiner Schwester warf. Geschickt wich sie aus.
»Lebenserfahrung ist doch eine großartige Sache«, fuhr sie fort. »Sag selbst: Wäre so etwas in den Tagen unserer zarten Jugend vorstellbar gewesen? Du hast ihn so profimäßig provoziert, man kann gar nicht genau sagen, wer da wen vergewaltigt hat.«
»Wie bitte?« Vor Verblüffung blieb mir der Mund offen stehen.
I Huli grinste.
»Vor den eigenen Leuten musst du nicht die gekränkte Unschuld spielen.«
»Was redest du da? Wann soll ich ihn provoziert haben?«
»Nackt aus dem Badezimmer springen und ihm den Hintern entgegenrecken – ist das etwa keine Provokation?«
»Meinst du das im Ernst?«
»Aber ja. Warum sonst hast du ihm den Rücken zugedreht, frage ich mich.«
Ich zuckte die Achseln.
»Sicherheitshalber.«
»Was soll daran sicher sein?«
»Der Schweif ist so näher dem Ziel«, sagte ich, selbst nicht ganz überzeugt von meiner Idee.
»Na schön. Aber dabei sollte man doch immerhin den Kopf nach hinten drehen. Sag ehrlich: Hast du dich jemals zuvor sicherheitshalber so aufgebaut?«
»Nein.«
»Wie bist du dann diesmal drauf gekommen?«
»Ich … ich dachte einfach, das ist ein sehr heikler Fall. Und ich darf mich auf gar keinen Fall anschmieren lassen. Blamieren, meine ich.«
I HuIi brach in lautes Lachen aus.
»Hör mal«, sagte sie. »Du willst mir doch nicht wirklich erzählen, du hättest das alles unbewusst inszeniert?«
Die Richtung, in die unser Gespräch ging, behagte mir ganz und gar nicht.
»Ich weiß, du hältst nichts davon«, fuhr sie fort, »aber würdest du mal einen guten Psychoanalytiker konsultieren, lägen deine wahren Motive schnell auf der Hand. Mit einem Analytiker lässt es sich übrigens ganz ungehemmt reden, über alles, was du willst – dafür kriegt er sein Geld. Gut, den Schweif muss man nicht unbedingt ausplaudern. Oder man stellt ihn als Phantasiespiel hin. Aber dann vergiss alles, was er dir über Penisneid erzählt …«
Da schüttet man nun einer Freundin sein Herz aus und muss sich so was anhören!, dachte ich.
»Sag mal, findest du nicht auch, dass es längst an der Zeit wäre, diesen ganzen psychoanalytischen Diskurs mit einem Pfahl aus Espenholz in den verkoksten und zugepeppten Arsch zurückzutreiben, der ihn ausgeschissen hat?«, fasste ich meinen Groll in Worte. I Huli riss die Augen auf.
»Zugepeppt, na gut, das kann ich noch verstehen. Immerhin war ich zwei Jahre lang mit Jean-Paul Sartre befreundet, falls du das noch nicht weißt. Auch mit dem Arsch komme ich gut klar. Aber verkokst, wieso verkokst?«
»Das kann ich dir erklären«, sagte ich, hocherfreut, dass das Gespräch von dem heiklen Thema abkam.
»Na, da bin ich aber gespannt!«
»Nicht genug damit, dass Doktor Freud selber auf Kokain war, er hat es seinen Patienten verordnet. Um dann seine Theorien daraus abzuleiten. Kokain ist ein ernstzunehmendes sexuelles Stimulans. Darum hat alles, was Freud sich so ausgedacht hat, diese ganzen Ödipusse, Sphinxe und Sphinktere, nur für den geistigen Raum seiner Patienten Gültigkeit, ihre vom Kokain zu Spiegeleiern
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