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Das heilige Buch der Werwölfe

Das heilige Buch der Werwölfe

Titel: Das heilige Buch der Werwölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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normale Mädchenfüße. Bis ich auf irgendeinen besonders stachligen Kienzapfen trat und quiekend auf die Knie fiel.
    Die Polizisten kamen herangeritten, saßen ab. Einer von ihnen packte mich bei den Haaren und drehte mein Gesicht zu sich herum, seines verzerrte sich vor Wut. Ich erkannte ihn: einer von den Spintrien aus dem Revier, wo ich neulich den Subbotnik abgeleistet hatte. Auch er hatte mich erkannt. Einen Moment lang schauten wir einander in die Augen. Es ist müßig, einem Uneingeweihten erzählen zu wollen, was in solch einem Moment zwischen Werfuchs und Mensch abläuft. Man muss es erlebt haben.
    Was bin ich blöd, dachte ich schicksalsergeben. Dabei gibt es das alte Sprichwort: Wo du wohnst, da gib dich brav und bieder, wo du f…, da lass dich niemals nieder! Das hatte ich nun davon.
    »Na? So sieht man sich wieder, du Aas!«
    »Kennst du sie etwa?«, fragte der andere.
    »Und ob. Die hat bei uns einen Subbotnik gemacht. Seitdem hab ich Herpes am Arsch, nicht loszukriegen!«
    Hiermit demonstrierte der Polizist ein selbst für seine Verhältnisse schwach ausgeprägtes Verständnis für kausale Zusammenhänge; zum Lachen fand ich das trotzdem nicht. Gleich krieg ich Dresche!, dachte ich. Alles genau wie damals vor Melitopol … Vielleicht befand ich mich tatsächlich noch dort, und die Zwischenzeit war nur ein Traum gewesen?
    Plötzlich krachte in nächster Nähe ohrenbetäubend ein Schuss. Ich hob den Blick.
    Auf dem Weg stand Alexander in seinem tadellos gebügelten grauen Uniformrock, mit einer rauchenden Pistole in der Hand und einem schwarzen Bündel unterm Arm. Ich hatte nicht bemerkt, wann und wie er aufgetaucht war.
    »Her zu mir, alle beide!«, befahl er.
    Die Polizisten tappten gehorsam zu ihm hin – sie benahmen sich wie die Kaninchen vor der Schlange. Eines der Pferde schnaubte nervös und ging auf die Hinterbeine.
    »Brav, brav, hab keine Angst«, flüsterte ich. »Der beißt schon nicht.«
    Dies zu behaupten war übrigens vorschnell: Ich war in Alexanders Pläne nicht eingeweiht. Als die Polizisten vor ihm standen, schob er die Pistole ins Holster zurück und sagte etwas mit leiser Stimme, das nach »Meldung machen« klang. Er hörte sie an, sagte dann selbst wieder etwas. Ich verstand nicht, was, doch die Gesten dazu waren vielsagend: Erst hielt er die rechte Handfläche nach oben und tat, als würfe er einen kleinen Gegenstand ein paarmal in die Höhe. Dann drehte er die Hand um und machte ein paar kreisförmige Bewegungen, so als striche er etwas fest. Auf die Polizisten hatte das eine geradezu magische Wirkung: Sie machten auf dem Absatz kehrt und trollten sich, vergaßen nicht nur mich, sondern auch ihre Pferde.
    Neugierig musterte Alexander mich ein Weilchen, bevor er herüberkam und mir das schwarze Bündel vor die Nase hielt. Es war mein Kleid. Etwas war darin eingewickelt, ich rollte es auf. Das Huhn. Verendet. Trauer befiel mich, mir kamen die Tränen. Das hatte nichts mit Sentimentalität zu tun. Dieses Huhn und ich, wir waren eben noch eins gewesen. Den kleinen Tod starb ich zur Hälfte mit.
    »Zieh dich an«, sagte Alexander.
    »Wozu hast du …?« Ich deutete auf das Huhn.
    »Ja, wie denn? Hätte ich es laufen lassen sollen?«
    Ich nickte. Er hob ratlos die Hände.
    »Dann verstehe ich überhaupt nichts mehr.«
    Woher auch! Man durfte ihm keine Vorwürfe machen.
    »Nein, nein, entschuldige. Vielen Dank«, sagte ich. »Für das Kleid und überhaupt.«
    »Du, hör mal«, sagte er. »Mach das hier lieber nicht mehr. Am besten nie wieder.«
    »Wieso?«
    »Nimms mir nicht übel, aber … du siehst nicht besonders gut aus dabei. Ich meine, wenn du … Ich weiß nicht. Ich denke, das ist nicht dein Ding.«
    »Was soll das heißen, ich sehe nicht besonders gut aus?«
    »Na ja. Irgendwie kahl. Wenn man dich so sieht, denkt man, du wärest dreihundert Jahre alt, mindestens.«
    Ich spürte, wie ich errötete.
    »Aha. Verstehe«, parierte ich. »Das ist die Masche: bloß kein Frau am Steuer, wie? Jedes zweite Wort von dir strotzt vor Chauvinismus, du verdammter Macho, du!«
    »Komm mir doch jetzt nicht damit. Es ist die reine Wahrheit. Hat nichts mit Männlein und Weiblein zu tun.«
    Ich zog mich rasch an. Bekam es irgendwie sogar hin, den zerschnittenen Träger über der Schulter wieder zusammenzuknoten.
    »Willst du das Huhn mitnehmen?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann mal los. Das Auto fährt gerade vor. Und morgen Punkt zwölf halte dich bereit für einen Ausflug. In

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