Das helle Gesicht
die harten Sehnenstränge zu sehen. Auf Rodeos hatte er, ebenso wie Robert, das Steerwrestling bestanden, das Niederwerfen eines jungen Ochsen oder sogar Stieres mit den bloßen Händen. Er hätte den Betrunkenen abwehren können. Warum hatte er es nicht getan? Sein Wille war geschunden und geschwächt.
Die Frauen hörten den Trinkenden im Nebenraum rülpsen und die Frau anschreien. Sie musterten das Schiebefensterchen; notfalls konnte sich ein gewandter Mensch hindurchzwängen. Sie hatten aber beide nicht die Absicht zu flüchten, wenn sie bedroht wurden. Ihr Selbstbewußtsein, ihr Entschluß, Percival zu helfen, wie auch Hanska es von ihnen erwartete, wallte noch stärker auf, als er gegen die mögliche Gefahr brandete. Ite-ska-wih und Joan hockten sich zu Percival auf den Boden, so, daß sie von einem Eintretenden nicht überrumpelt werden konnten.
»Du kennst mich ja«, sagte Joan. »Aber ganz kennst du mich nicht, Percival. Die Killer haben meinen Robert getötet. Gefoltert wie dich und ermordet. Er konnte ihnen nicht entkommen wie du. Ich denke, daß sie ihm aufgelauert haben und ihn erst von hinten angeschossen haben. Die Leiche ist im Hospital verschwunden. Nun weißt du, Percival, wie mir selbst zumute ist.«
Joan hatte langsam gesprochen, jedes Wort abgewogen, ehe sie es laut werden ließ. Percival hatte begriffen. Er nahm die Hand vom Gesicht und schaute Joan an, als ob er die Wahrheit und Tragweite dessen, was sie sagte, prüfen wolle. Er senkte die Lider; als er sie wieder hob, hakte sich sein Blick an Ite-ska-wih fest.
»Hanskas Frau.«
Er hatte also das Gespräch, das die Frauen nebenan mit seinem Vater geführt hatten, mitgehört.
»Wir sind alle im Ring gewesen«, wagte Ite-ska-wih zu erzählen. Nicht die Enttäuschungen und Schwierigkeiten, die gefolgt waren, färbten ihren Stimmklang, sondern die nicht auslöschbaren Erinnerungen an überstandene Gefahren, an den Geistertanz, an die Stunden mit Hanska allein. Percivals Blick wanderte von der sonnestrahlenden, sehr jungen Mutter zu der gramgezeichneten Joan, mit der ihn Robert und sein Schicksal verbanden.
»Jetzt leben wir alle zusammen im alten Blockhaus des Inya-he-yukan. Wakiya wird es dir erzählt haben«, nahm Joan wieder auf.
»Ja«, sagte Percival. Man merkte seiner Stimme an, daß er nur noch selten sprach.
»Da gehörst du auch hin. Du weißt ja, wir brauchen noch einen Cowboy.«
Percivals Empfindungen schlugen um. Seine Narben, rot im blassen entstellten Gesicht, färbten sich noch tiefer.
»Geschwätz. Hört auf. Warum seid ihr überhaupt gekommen? Fort mit euch, ehe euch der Alte noch hinausprügelt.«
Er zischte. Der zischende Ton machte die Maske seines Gesichts schauerlicher.
Ite-ska-wih betete stumm um Kraft. Als Percival nichts weiter sagte, aber mit erbitterter Anstrengung darauf wartete, daß die Frauen gehen würden, als im Zimmer nebenan das Toben des Betrunkenen begann und Möbel splitterten, sagte sie leise, ruhig und wie unberührt von diesem Lärm:
»Percival, ich bin fünfzehn Sommer und unerfahren. Verzeihe Hanska, daß er mich geschickt hat, verzeih mir, daß ich gekommen bin und zu sprechen versuche. Aber ich möchte nicht nach Hause kommen, ehe ich dir Hanskas Worte…«
Sie kam nicht weiter. Sie kam in einem doppelten Sinne nicht weiter, nicht bei Percival, dessen Narben nur heißer glühten, nicht mit ihren schüchternen Worten, die im Lärm von nebenan untergingen. Ein Schrei der Frau, der Mutter Percivals, scheuchte Ite-ska-wih auf.
»Er schlägt sie! Das soll er nicht.«
Sie kannte sich kaum mehr, sprang in die Höhe, riß die Zwischentür auf, ehe Joan sie hindern konnte.
Der Betrunkene, im vollen hemmungslosen Jähzorn, wandte sich ihr zu und hob den Arm. Sie dachte an das, was sie in Chicago gelernt hatte, und war bereit, ihn zu Boden zu bringen.
Aber ehe etwas zwischen Ite-ska-wih und dem Betrunkenen geschah, war Percival da und riß sie zurück. Er stand seinem Vater gegenüber, den nur noch die sinnentleerte Wut trieb. Percival war behindert, den linken Arm konnte er nur schwer bewegen. Er schlug mit der rechten Faust zu, drehte den leicht Betäubten um, griff ihn mit beiden Händen, schaffte ihn zur Haustür hinaus und warf ihn ins Gras.
»Da schlaf deinen Rausch aus!«
Percival kam durch die offenstehende Tür wieder herein und ging auf Ite-ska-wih zu.
»Was wolltest du denn eigentlich?«
»Karate.«
»Karate? Hanska hat ja gut gewählt.«
Percival kümmerte sich um die Mutter, die
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