Das helle Gesicht
Vormittags war auch bei Familie Myer der Gegenstand des abendlichen Abschlußgesprächs. Hanska berichtete. Der Großvater paffte intensiver und schneller.
»Gegen diesen Mahan wird kein Verfahren eröffnet werden«, begann er. »Er hat amerikanisch gehandelt.«
Ite-ska-wih schaute mit großen Augen auf den Alten.
»Weiß unsere junge rote Lady noch immer nicht, was amerikanisch ist? Wenn ich einem Kerl mein Haus verboten habe und er kommt bewaffnet wieder, so erschieße ich ihn auf der Stelle. Wo hat es bei uns denn je etwas anderes gegeben. Ich begreife überhaupt nicht, warum so viel Gerichtstheater darum gemacht wird. Noch Fragen?« Ite-ska-wih nickte.
»Also?«
»Anführer unserer Indianerbewegung sind für kleine und unbewiesene Vergehen jahrelang ins Gefängnis geschickt worden.«
»Weil sie unamerikanisch handeln.«
Ite-ska-wih wagte, weiter zu forschen. »Was ist unamerikanisch, Großvater?«
»Unsere große amerikanische Nation in Völkerschaften aufspalten zu wollen. Das gibt es ein für allemal nicht und niemals.«
»Wir sind keine fremde Völkerschaft«, widersprach Hanska. »Wir sind die Uramerikaner. Könnt ihr das nicht verstehen?«
»Und wir, mein Junge?«
»Ihr seid später gekommen. Sagte ich schon einmal. Vierzigtausend Jahre später… Großvater.«
»Meinethalben vierzigtausend Jahre später. Aber in vierhundert Jahren haben wir euch überrundet.«
Auf dem Rückweg über den Wiesenhang zum Blockhaus machten sich Hanska und Ite-ska-wih ihre gemeinsamen Gedanken.
»Der Alte ist stur, aber ehrlich«, meinte Hanska. »Viele Freunde hat er nicht unter den weißen Ranchern. Wie oft hast du schon Besuch bei den Myers gesehen? Vielleicht sechs- oder siebenmal in der ganzen Zeit. Sie fraternisieren den andern zuviel mit uns Indianern. Sie arbeiten und sie reden mit uns. Die Verwaltung wird auch schon mißtrauisch, habe ich gehört. Das große Ansehen der Myers als Krone und Pionier der weißen Rasse schwindet. Es hat sich herumgesprochen, daß der Enkel nichts taugt. Wir sind nun zuwenig voll tätige Leute. Dazu die vielen Aufbauschulden; sie haben sich wirklich übernommen, wenn es nicht sehr rasch vorwärts geht.«
»Können wir uns darüber freuen oder nicht?«
»Das ist die Frage, Ite-ska-wih.«
Im Blockhaus fand das junge Ehepaar Gäste vor. Ray und Bob waren mit dem Wagen gekommen, sie befanden sich auf dem Weg zu Waseschas Tipi.
»Er soll heute nacht nicht allein sein; weiß man, was die Mörder nach ihrer Niederlage planen? Kommt ihr mit?«
»Nein.«
»Wir sind unsrer auch genug. Bye!«
Ite-ska-wih, Hanska, Untschida, Wakiya und Elwe blieben unter sich, bis Joan kam.
Es wurde nicht viel gesprochen.
Joan dachte an Robert, Hanska an Wasescha, Ite-ska-wih ließ ihre Gedanken voranlaufen. Sich im Kreise des Geschehens zurückzudrehen war fruchtlos, der Gedanke an Laughlin eine schwere Last. Er würde als Kirchendiener mit Gewissensbissen, aber ungeschoren weiterleben, daran konnte sich kaum mehr etwas ändern.
»Wer holt denn nun die Zwillinge Harry und Mary?« fragte Ite-ska-wih.
Wakiya ging auf die Frage ein. »Ihr wißt, sie sind in verschiedenen weit voneinander entfernten Internaten untergebracht. Geht Ball allein sie holen; oder begleitet ihn einer von uns?«
»Ball geht keinesfalls allein«, Hanska war überraschend aufgeregt. »Einer von uns muß mit. Du, Wakiya?«
»Bin krank.«
»Hanska?«
»Myers explodieren, wenn ich schon wieder Urlaub nehme.«
»Laß sie doch.«
»Muß es ein Bruder der Zwillinge sein?«
»Wie meinst du das?«
»Ite-ska-wih.«
»Zu überlegen. Aber ich habe noch eine ganz andere Sorge, Hanska; vielleicht kann man da vorher etwas tun.«
»Ja?«
»Percival ist für sein ganzes Leben entstellt. Whirlwind hat ihn rücksichtslos entlassen. Sein Mädchen mag ihn nicht mehr. Wenn wir ihm nicht helfen, bringt er sich um. Bald.«
»Also helfen wir ihm«, sagte Elwe, die sonst immer schweigend zuhörte.
Alle blickten auf sie.
»Ist er nicht ein guter Cowboy?« fragte Joan. »Robert hielt viel von ihm. Kann er noch reiten? Hat er noch seine Hände? Seine Augen?«
»Daran fehlt es nicht«, wußte Wakiya. Es wurde immer klarer, daß er nicht nur den ehemaligen Gemüsegarten Tashinas umgrub und gute Plätze für Bäume suchte. Er hatte viel mehr im Kopf, und er hatte Zeit, an Menschen zu denken, die von anderen vergessen wurden. Vielleicht machte ihn seine eigene Krankheit aufmerksamer, und seine Traumstunden am Grabe des alten Inya-he-yukan
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