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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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brachten gute Frucht. Er mußte Percival besucht haben. Er war es ja auch gewesen, der für Wasescha die Zeugin Carson beigebracht hatte. Er fuhr fort: »Die Nase, die Wangen sind zerschnitten, ein Teil der Kopfhaut abgezogen. Er schaut einen an wie eine Fratzenmaske.«
    »Vielleicht wie Robert, wenn er am Leben geblieben wäre«, sagte Hanska gradeheraus; Joan hörte das mit.
    »Er ist noch ein Mann«, fügte Wakiya hinzu.
    »Was soll das heißen?« schrie Joan auf.
    »Daß sie ihn nicht entmannen konnten, wie manche andre Opfer. Mit übermenschlicher Kraft ist er ihnen entkommen.«
    »Er hat sie gesehen?«
    »In der Nacht zu undeutlich. Einen hat er erkannt.«
    »Das war?«
    »Laughlin. Aber er schaute nur zu.«
    »Nur! Der Elende. Hanska, ich reite zu Percival. Er kennt mich ja. Ite-ska-wih soll mit mir kommen, sie ist eine Geheimnisfrau. Wie wäre es übrigens mit einer Gesichtsplastik? Kann man ihm diese Aussicht machen?«
    »Nein. In unserm Hospital haben sie keinen Arzt, der diese Kunst versteht. Und mindestens fünftausend Dollar für einen Spezialisten – das bezahlt keine Verwaltung einem Indianer.«
    »Wir reiten morgen zu Percival. Recht so?«
    »Wenn ihr euch sehr beeilt.«
    »Wo wohnt er?«
    »Bei seinen Eltern. Es ist nicht weit.«
    Niemand hegte einen Zweifel, daß Ite-ska-wih Joan begleiten würde, obgleich sie gar nicht gefragt worden war; niemand zweifelte auch daran, daß sie die Stärke haben würde, den Anblick des Mißhandelten zu ertragen.
    »Der Vater war kein Trinker«, fügte Wakiya seinen Informationen noch hinzu. »Aber jetzt ist er es geworden. Ich konnte mich nur ins Haus wagen, weil er grade weg war. Er hat in seiner Besoffenheit sogar schon Percival geschlagen.«
    »Warum? Wußte er überhaupt einen Grund?«
    »Weil Percival Whirlwinds Willen entgegen mit euch in den Ring gegangen sei und damit alles Unglück selbst verschuldet habe. Weil er das nicht einsehe.«
    »So ist das.«
    Als Joan am folgenden Morgen kam, war Ite-ska-wih schon bereit.
    »Ihr bringt Percival ja dann zu uns«, sagte Hanska zum Abschied. »Ich werde wohl nicht dasein, muß mit Vater Myer Tag und Nacht auf die Weiden. Sie haben auch gegen uns irgend etwas vor. Vielleicht die Zäune durchschneiden, ein paar Pferde, auch von den unseren, wegjagen. Wie das werden soll, wenn du bald auf Rodeotournee gehst, Joan, und Vater Myer mit dir als Manager und Pferdepfleger, das weiß ich nicht. Ihr müßt aber auf Tournee gehen, die Ranch braucht Prestige, Kunden und Geld. Unsere auch.«
    »Gut, daß du daran denkst.«
    Als Joan mit Ite-ska-wih zu den Pferden gehen wollte, bemerkte Wakiya noch schüchtern: »Pferde anhängen könnt ihr dort nicht. Percival hat keins mehr, sein Vater hat es heimlich für Brandy verkauft. Nehmt ihr eins für ihn mit?«
    »Nein«, entschied Joan. »Nicht zu prächtig, das ist nicht gut.«
    Die beiden Frauen saßen auf. Joan hatte den Grauschimmel Roberts gewählt, Ite-ska-wih den guten alten Braunen.
    Ite-ska-wih hatte Joan noch einmal angesehen. Sie schaute in ein zerstörtes Gesicht.
    Joan hatte mit dem Tod von Robert gerechnet, aber solange sie keine absolute Gewißheit besaß, war ein verborgener Hoffnungsschimmer geblieben. Jetzt war er erloschen. Robert war tot, Hanska hatte es gesagt. Robert war gestorben, nachdem er Qualen erlitten hatte wie Percival. In der mißhandelten Gestalt von Percival würde Joan ihr ermordeter Mann entgegentreten. Ihre Nerven zogen sich wieder im Krampf zusammen wie in der Stunde, in der die erbarmungslose Wahrheit sie zum erstenmal ansprang. Sie hob ein paarmal die rechte Hand, rührte die Finger und wartete, ob das Blut zurückkehren wollte.
    Endlich griff sie auch mit der Rechten wieder in den Zügel. Die Pferde galoppierten mit Lust. Die Freundschaft der beiden Frauen, die leise zu entstehen und verborgen zu wachsen begonnen hatte, wurde bei dem gemeinsamen Ritt beiden recht offenbar. Auf dem Gang, den sie angetreten hatten, mußten sie wie eins sein. Sie würden einem Trinker und einem Verzweifelten begegnen.
    Das Holzhaus von Percivals Familie stand einsam in der Reservationsprärie. Es war ein von der Verwaltung gestelltes Haus, noch aus den früheren Lieferungen, ohne Doppelwände, im Sommer heiß, im Winter kalt, bei weitem nicht so widerstandsfähig wie ein Blockhaus. Die Farbe war abgeblättert. Der Grasboden rings zeigte keine Spur von Bearbeitung oder Bewässerung. Es war Hochprärie wie seit aber Tausenden von Jahren. Zwischen dem Gras hatten sich

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