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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gleich die Namen nennen und erfuhr sie in der Stammessprache, womit die Kinder ihn ihrer Auffassung nach hoch ehrten; nicht einem jeden sagten sie, wie sie auf indianisch hießen.
    »Sie haben ein Anliegen, ich weiß«, sprach der Arzt Percival an. »Wir haben heute Freitag; morgen und übermorgen ist freies Wochenende. Kommen Sie am Montag früh in die Klinik. Ich denke, es läßt sich etwas tun. Haben Sie unbegrenzt Zeit? Wichtig ist das ungestörte gute Zusammenwachsen der alten und neuen Gewebe – die ich natürlich Ihrem eigenen Körper entnehme.«
    »Unbegrenzt nicht«, antwortete Percival gelassen. »Ich bin ein einfacher Cowboy und will zu den Pferden zurück.«
    »Also wie lange haben Sie Urlaub?«
    »Ich habe keinen Master über mir. Wir arbeiten als Verwandte zusammen.«
    »Keinen Master, nur die Pferde über sich. Das ist gut.« Raymund unterbrach sich, da seine drei Kinder hereinkamen, ein auffallend schönes großes Mädchen, blond wie er selbst und, wie sich im Laufe des Gespräches ergab, Studentin. Sie war offenbar die Älteste. Ihr folgte der ernsthafte Bruder, der noch auf die Highschool ging und bemerkenswert stabil wirkte in Körperform und Haltung. Der Jüngste hockte sich gleich vor den Fernseher, der ohne Ton im Gange war. Raymund fuhr fort. »Cowboy zu Pferd somit?«
    »Cowboy zu Pferd für Pferde. Pferderanch.«
    »Oh. Das ist selten. Sie sollen einen hervorragenden Hengst besitzen. Im Radio war schon davon die Rede. In einer Rodeolifesendung. Thomas hat sie gehört.«
    »Der Hengst gehört mir nicht.« Percival wurde wie ein Igel, der seine Stacheln stellt. »Unsere Pferde passen auch nicht nach California, da wäre ihnen die Luft zu weich.«
    Raymund lächelte. Er hatte sofort begriffen, was in Percival vorging. Der Indianer glaubte wohl, er solle den Chirurgen mit einem edlen Pferd bezahlen.
    »So war es nicht gemeint, Mister Percival.«
    Harry Kte Ohitaka schämte sich bei dem Verlauf des Gesprächs auf einmal vor sich selbst. Percival hatte sich das Fohlen erarbeitet, hatte es zugeritten und vieles gelernt. Er liebte den Rappen. Aber Hanska hatte ihn billig gekauft, und Krause hatte gesagt, Percival müsse das Tier dem Waisenkind Ohitaka lassen. Das paßte alles nicht zusammen. Es gehörte sich nicht, daß Ohitaka jetzt etwas sagte. Indianerkinder wußten oder fühlten nicht erst mit zehn, sondern schon mit vier Jahren, wann sie zu sprechen hatten und wann nicht. Aber wiederum konnte es einmal notwendig sein, das Ungehörige zu tun. Ohitaka machte den Mund ein paarmal auf und zu, und Elizabeth gab dem Doc ein Zeichen, daß das Kind etwas zu sagen habe. Raymund wandte sich dem Buben zu. »Ja?«
    »Der schwarze Hengst wird immer Percivals Mustang sein, so wie ein Kind das Kind seines Vaters bleibt, auch wenn es in die Fremde verschickt wird. Wir besitzen den Rappen übrigens zusammen, und mein Vater und ich würden ihn auch nicht verkaufen.«
    »Ein kluger Junge und ganz Indianer«, bemerkte der Doc zu Hanska. »Also im Familienbesitz befindet sich der Teufelshengst. Jetzt wird es interessant. Nur vorweg, ehe wir auf ein paar Probleme kommen, die mich sehr beschäftigen. Verwandtschaft gilt auch bei uns Weißen. Sie bezahlen natürlich gar nichts, Percival, weder mit Dollars noch mit Pferden. Sie sind der Bruder des zukünftigen Mannes von Miss Peck. Wir bedauern sehr, daß sie uns verläßt.«
    Nach einer kleinen Kunstpause setzte Raymund hinzu: »Meine Tochter hat eine Frage mitgebracht. Hier in Santa Barbara kennen wir keine Indianer, aber die Indianer in der Prärie haben von sich reden gemacht. Also – «
    »Ich habe indianische Studenten in San Francisco-Berkeley kennengelernt, Navajo. Glauben Sie auch, daß Ihr Volk eine Zukunft hat?« fragte die Studentin gespannt.
    »Ja, natürlich«, antwortete Hanska.
    »Ja«, sagte Wakiya.
    »Selbstverständlich«, antwortete Percival. »Wieso nicht?«
    »Auch mein Kind wird als Indianer leben«, erwiderte Ite-ska-wih.
    Das schöne blonde Mädchen freute sich. »Siehst du, Dad!«
    Die Frage, die jetzt zur Debatte stand, ließ die anwesenden Weißen noch aufmerksamer die anwesenden Indianer messen nach den Maßstäben, die Elizabeth am Abend vorher schon angedeutet hatte: nicht betrunken, sondern sauber, groß, schön, klug, der Arbeit verpflichtet. Waren das alles Ausnahmen? Oder gab es noch andere Regeln für indianisches Dasein als arbeitslos, arbeitsunlustig, betrunken, widersetzlich, schmutzig, verzweifelt?
    Um die Lippen der drei jungen

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