Das helle Gesicht
Kräuter unterscheiden. Rote Krähe weiß, wie man Wunden behandelt. Er wird es ihr erklären. Wenn ich bei Halkett und Ball gewesen bin, komme ich noch einmal hierher. Kommt einer zu euch, der die Schleichwege in den Ring kennt, so, wie sie jetzt sind, so haltet ihn fest, damit er mir erklären kann, wie ich zu gehen habe.«
»Tatokala wird das sein, denken wir.«
»Sehr gut.«
Hetkala schien noch etwas sagen zu wollen. Hanska bat sie mit einem aufmerksamen Blick, es zu tun.
»Hüte dich vor Halkett, Hanska. Er ist der Großvater von Queenies Kindern. Aber er war ein Feind von Inya-he-yukan Stonehorn geworden. Zuletzt hatten sich Stonehorn und Halkett so verfeindet, daß Queenie die Kinder zu Krause bringen wollte, vielleicht von dort aus noch weiter nach Kanada zu den Verwandten. Halkett will den Aufstand nicht. Er würde die Kinder wohl am liebsten im fernen Internat lassen.«
»Kann sein, Hetkala. Aber Halkett muß den Antrag unterschreiben, sonst können wir die Zwillinge nicht befreien.«
»Willst du ihm sagen, wohin du die Kleinen gebracht hast? Er könnte dich anzeigen, daß du die Kinder entführt habest.«
»Wir werden sehen.«
Es wurde Zeit, schlafen zu gehen. Die Schlafgestelle blieben den beiden alten Frauen vorbehalten; allen anderen dienten Wandbank, Boden, Decken. Iliff schlüpfte zu Ite-ska-wih, der schon seine kindliche Liebe gehörte. Bis ihm die Augen zufielen, erzählte er ihr noch die Sage vom Steinknaben. Ite-ska-wih fühlte sich von dem Zutrauen des Kindes gestärkt. Die Einigkeit, die im Blockhaus zwischen den Menschen herrschte, vertrieb die Furcht und umgab die Menschen mit der gleichen Sicherheit, die ihnen die dicken Balken gewährten, aus denen das Haus gebaut war. Dies war kein Reservationshaus aus Brettern, es war ein wahrhaftiges Blockhaus, dessen Wände keine Kugel durchschlagen konnte. Das Holz der Kiefern der Prärie war alt und sehr hart, gewohnt, den Winterstürmen zu trotzen und die Bewohner vor Eiskälte zu schützen.
Das letzte Knistern des Herdfeuers verstummte. Draußen pfiff der Wind. Die Hunde bellten wütend und vertrieben so einen Kojote – oder war es vielleicht ein großer Wolf? Die Biber waren in ihrem Wasserbau sicher.
Ite-ska-wih horchte noch auf Hanskas Flüstern mit Rote Krähe, dann auf seinen Atem, der im Schlafe ruhig und gleichmäßig wurde. Endlich schlief sie selbst ein.
Kurz vor dem Aufwachen am Morgen träumte sie, was sie nun alles lernen durfte; Hanskas Sprache sprechen, zu den Eingeschlossenen schleichen, ein tolles Pferd reiten im Galopp über die Prärie.
Von Schießen hatte Hanska nicht gesprochen. Aber das mußte eine Verteidigerin des Blockhauses ja wohl auch können. Nur durfte sie jetzt keinen Lärm mit Schießversuchen machen.
Das Haus war sehr alt. Es gehörte noch zu jenen Blockhäusern, die sich die Stammesangehörigen gebaut hatten, als sie vor einem Jahrhundert in die Reservation eingetrieben worden waren und gezwungen wurden, seßhaft zu leben. Es war ein großes Haus und mußte einst einer großen Familie gehört haben. Ite-ska-wih träumte von Inya-he-yukan, dessen Haus jetzt der Berg war.
Als sie erwachte, regnete es draußen; der Wind trieb die Tropfen zu Strähnen über die Wiesen und machte sie auf das Dach trommeln. Hetkala hatte Mühe, das Feuer in Gang zu bringen, denn der Wind drückte durch den Abzug die Luft in das Haus hinunter. Endlich war es so weit, sie konnte das Bohnengemüse vom Vortag aufwärmen. Die Morgenmahlzeit verlief in Schweigen. Man nahm sich nicht viel Zeit dafür. Eine Schüssel, aus der alle zulangten, war bald leer.
Hanska sattelte die Fuchsstute. Es machte Ite-ska-wih Freude zuzusehen, wie er mit dem Tier und dem Sattel umging. Hanska nahm verstohlen das Bild Ite-ska-wihs in sich auf. Er meinte, sie so noch nie gesehen zu haben. Vielleicht waren es die merkwürdigen Eindrücke ihres jungen Lebens, die sie formten und immer wieder neu formten. Sie war aufgewachsen zwischen der Trockenheit einer ungeliebten Schule, den Sorgen und der Geheimnisatmosphäre der Großmutter im düsteren, stinkenden Keller. Alle ihre noch nicht erstickte junge Sehnsucht war hineingeflossen in das Bild des Präriehäuptlings, der plötzlich erschienen war, all ihr Grauen vor der Welt in den Moment des Mordes. Sie hatte sich nicht zerknicken lassen. Sie hatte ungeahnte Wunder erlebt, den Berg der Bärin, das Tal des kleinen Fisches, das Zelt des Geheimnismannes, verwoben wieder in das Entsetzen um das Schicksal
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