Das helle Gesicht
erkundet. Er vermochte vieles, was die weißen Männer nie verstehen werden. Er wußte, was den Söhnen der Prärie droht. Er wußte, daß wir kämpfen müssen. Rot ist euer Blut, meine Kinder, rot wie das Blut des Adlers. Laßt uns einander erkennen, Siksikau, Dakota, Cheyenne, Navajo, Hopi – alle unsere Stämme – wir sind Brüder. Du weißt es, Hanska. Dein Wahlvater besaß den Gürtel, auf dem es geschrieben stand.«
»Ich weiß.«
»So geht hin und kämpft, ehe wir alle miteinander untergehen, die Tapferen und die Feigen, die Gequälten und die Ungestörten, die Reichen und die Armen, die Stürmenden und die Zaudernden. Der weiße Mann will nicht ruhen, ehe er uns alle vernichtet hat, ich sehe es. Auch Stonehorn hat es gesehen. Collins hat seine Augen noch geschlossen. Darum bin ich hierher zu dir gekommen, Hanska. Willst du einen jungen Mann von uns mitnehmen in unseren Kampf?«
»Ja!« Hanska sprang auf.
»Hier, du siehst ihn. Er ist mein Schüler und hat schon viel gelernt. Über ihn gebieten nicht Collins und nicht der Rat der Siksikau. Über ihn gebietet die Kraft der Geheimnisse. Er will mit dir gehen. Er hat sich geprüft in harten Proben. Ich habe ihn geprüft. Er ist gut. Ich habe gesprochen.«
»Hau.«
Hanska und der junge Geheimnismann traten zueinander und gaben sich die Hand auf eine besondere Weise, die gleich einem Schwur war.
Rote Krähe war sein Name.
»Seid Brüder«, schloß der alte Geheimnismann, »wie es Inya-he-yukan, der alte Dakota, und Stark wie ein Hirsch, der Siksikau, einst gewesen sind.«
Der Geheimnismann schürte das Feuer ein wenig und schob ein paar trockene Äste tiefer in die Glut.
Der Funkenschein im düsteren Zelt, die leichte Wärme in der kalten Nacht, die gemeinsamen Gedanken verbanden die Menschen und lösten ihre Gefühle. Hanska und Rote Krähe hatten sich nebeneinander gesetzt. Der Geheimnismann rauchte noch eine Pfeife und begann noch einmal zu sprechen.
»Hanska, du trägst bis heute nur einen Kindernamen. Du hast aber mehr verdient. Als du zum erstenmal zu mir kamst, sagte ich dir: Du hast eine junge Bärenseele. Trage jetzt den Namen Mahto und zeige dich dessen nicht unwürdig. Die Große Bärin ist auch deine Urahne. Hau.«
»Hau, großer Vater. Ich werde durch den Sonnentanz gehen.«
»Tue es. Du aber, Ite-ska-wih, denke daran, daß auch eine Frau Geheimnisse einsehen und bewahren und Wunden heilen kann. Ich sage dir, du wirst eine Geheimnisfrau.«
»Ja, mein großer Vater.«
»So laßt uns nun schweigen und zum Großen Geheimnis beten. Wenn der Schlaf kommt, wird er uns neue Kräfte schenken. Mit dem ersten Strahl der Sonne brecht ihr auf.« Der Medizinmann rief den kleinen Buben zu sich. »Vergiß auch du nie, was du in unserer Nacht heute gehört und gesehen hast.« Er strich dem Kind über das Haar, einmal, zweimal, dreimal, und der Bub fühlte die weiche Ruhe, die ihn zum Schlaf umfing.
Hanska träumte im alten großen Zelt; der Wind rauschte durch die Wipfel bis in seinen Schlaf hinein. Ite-ska-wih träumte an seiner Seite, das Wasser über roterdigem Grund sang ihr ein Lied. Hanska Mahto würde ihr Gatte sein; Rote Krähe, der schwere Proben bestanden, und Ray, der Inya-he-yukan an seinem Mörder gerächt hatte, waren seine zuverlässigen und mutigen Brüder, Ite-ska-wih aber wurde ihre Geheimnisfrau, die Kräuter kannte und Wunden heilte.
Sie stand da und wartete, Ena-ina-yin »steht eben da« nannten die Menschen sie wieder, wie sie sie einst genannt hatten, als sie viele Jahre da gestanden und auf ihren Sohn gewartet hatte. Aber sie stand nicht mehr bei ihrem alten Blockhaus und bei dem Sumpfloch des eingebrochenen Brunnenschachtes, in dem zwei ihrer Kinder umgekommen waren. Sie stand nicht mehr unter Bäumen.
Die Wiesen waren baumlos. Kahl stieg der Berg auf, der sie begrenzte. Er war Vorläufer des »schlechten Landes«, in dem es seit Jahrhunderten kein Leben mehr gab.
Aber dieser eine kahle Berg der unfruchtbaren, zerrissenen, brüchigen, gelb- und roterdigen Berge und Täler speiste noch eine Quelle, deren Wasser an einem Blockhaus als Bach vorbeiplätscherte und die einem großen Baum, auch einigem Gesträuch Feuchtigkeit gab. Eine Gruppe Biber hatte diesen Platz ausgekundschaftet, sich daran niedergelassen und auch schon zu bauen begonnen. Vor zwei Frauen, die mit einem Kind in dem Blockhaus wohnten, brauchten sie sich nicht zu fürchten.
Ena-ina-yin stand mit dem Buben Iliff in Sonne und Wind auf der Wiese und ließ
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