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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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noch aus verkrampfter Kehle und konnte den Ton nicht hören.
    Sie lag lange so, am Rande des Lebens, am Eingang des Todes. Hanska-Mahto fand sie endlich. Er strich über ihr Haar. Vorsichtig legte er sie auf den Rücken und hielt seine Wange an ihr Gesicht, um auch den letzten Hauch eines Atemzuges noch zu spüren.
    »Ite-ska-wih!«
    Sie öffnete die Augen, schaute auf Hanska, erkannte ihn. Aber ihre Züge verzerrten sich nur in Angst.
    »Die Killer kommen, Hanska. Der Killerchief regiert.«
    Sie klammerte sich an seine Arme. Ihr Atem ging kurz und jäh. »Sie kommen – die Stadt kommt – es stinkt, Hanska, wir ersticken, wir sind verraten.«
    Sie wand sich mit ungeahnter Kraft, er konnte sie kaum festhalten.
    »Sie schießen, Hanska, sie töten die Pferde und die Biber, sie morden dich und dein Kind. Sie vergiften die Wasser. Sie machen Stein aus der Erde…«
    Ite-ska-wih hatte sich aufgesetzt. Sie riß die Augen weit auf, in ihrem Blick spiegelte sich nur noch das Grauen.
    Hanska packte sie mit aller Kraft, hob sie auf und trug sie in die Blockhütte.
    Hetkala und Dorothy warfen all Decken, die sie rasch greifen konnten, auf die Lagerstatt der Frauen.
    Hanska bettete Ite-ska-wih. Sie fror, ihre Hände und Füße fühlten sich todeskalt an. Dorothy begann einen Stein auf dem Herd zu wärmen. Hetkala hatte der Kranken die durchnäßte Kleidung abgezogen. Es war nicht möglich, ihr warmes Getränk einzuflößen. Ihr Kopf war zur Seite gesunken. Sie rührte sich nicht mehr. Aber ihre Lippen zuckten immer wieder, als ob sie schreien wolle und doch nicht vermöge, einen Ton hervorzubringen. Der Frost in ihrem Körper schlug von neuem in hohes Fieber um. Jeden Augenblick konnte der Tod sie aus den Armen der Lebenden wegreißen.
    Die schwere Blocktür wurde geöffnet. Rote Krähe, der auch auf der Suche nach Ite-ska-wih unterwegs gewesen war, kam herein.
    Er ging leise ein paar Schritte bis in die Nähe von Ite-ska-wihs Lager. Ohne ganz heranzutreten, blieb er stehen. Hanska und die beiden Frauen wandten sich ihm langsam zu und gaben ihm einen Platz frei. Aber er nutzte die Möglichkeit nicht, sondern stand da, als sei er in Holz verwandelt. Iliff hockte in einer Ecke und starrte auf den Geheimnismann. Das Blockhaus hatte nur einen einzigen großen Raum.
    Der Siksikau vermochte sich nicht zu bewegen. Seine Gedanken und sein Fühlen lähmten ihn. Er brachte nur eine einzige Frage hervor. »Wo hast du sie gefunden, Mahto?«
    »Bei den Bibern.«
    Alle erwarteten, daß Rote Krähe, der junge Geheimnismann, Kranke heilen könne, besser sogar als Hetkala, die Geheimnisse kannte, aber keine strenge Schulung besaß. Rote Krähe erschrak, als er wahrnahm, wie alle auf ihn schauten, ihm Raum gaben und auf ihn hofften. Er hatte noch nie selbständig einen Kranken behandelt, sondern immer nur seinem Lehrmeister geholfen, mochte es um Knochenbrüche, Lungenentzündungen oder Rheumatismus gegangen sein. Er wußte, wie schwer es war, einen Kranken gesund zu machen. Vielleicht hatte Hetkala einige Kräuter zur Hand, die auch er kannte. Aber mit Kräutern allein konnte er Ite-ska-wih nicht helfen. Ihre Krankheit saß tiefer. Ihre Seele war krank. Er hatte es schon gewußt, als sie mit Hanska aus dem Belagerungsring fortgeschickt wurde. Er hatte ihre Augen gesehen und ihre Lippen, ihre Hände, ihre Schultern gesehen, ihre Stimme gehört. Ihre Seele war zerschunden. Mißtrauen und Hoffnungslosigkeit schlugen sie so, wie ein grausamer Reiter ein edles Pferd schlägt. Rote Krähe sah sie auch wieder vor sich, wie er sie am Eingang zum Tal des jungen Fisches gesehen hatte mit ihren von Blutwärme blühenden Wangen und Lippen, ihrem Blick der großen Freude auf dem Boden von großem Leid um die Toten, ihrem leisen Beben der Liebe zu Hanska, die sie als etwas Neues und Glückseliges erfuhr.
    Der junge Siksikau hatte nie vor sich selbst zugeben wollen, daß auch er Ite-ska-wih liebte, das Mädchen, das zu einer Geheimnisfrau heranwuchs. Das Mädchen, das aus dem stinkenden Keller der Stadt kam und zu einem Grashalm, einer Blüte, einer sprühenden Quelle werden konnte.
    Er liebte Ite-ska-wih.
    Da lag sie, mit blauen Lippen, zusammengefallen, sterbend. Der weiße Mann stand in ihrem Alptraum vor ihr, riesengroß, unüberwindlich, höhnisch lachend über das Volk das in der Falle saß. Sie spürte keine Kraft mehr gegen ihn, auch nicht bei Hanska-Mahto. Hanska nahm ihr nicht die Angst. Sie hatte Angst um ihn.
    Der junge Geheimnismann trat vor,

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