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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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bis zu Ite-ska-wihs Lager.
    »Bei den Bibern habt ihr sie gefunden«, sagte er.
    Er schämte sich vor den anderen und vor sich selbst, daß seine Geheimniskraft versagt hatte. Er hatte nicht gewußt, wo er Ite-ska-wih suchen mußte. Hanska-Mahto hatte es gewußt, der Mann mit der Bärenseele hatte sie gefunden.
    Hanska liebte Ite-ska-wih. Sie trug den Samen seines Kindes in sich. Er hatte gewußt, wo er sie finden konnte.
    Aber gesund machen konnte er sie nicht.
    Das konnten nur die Biber, zu denen sie gegangen war.
    Vom Zauber der Biber aber wußte Rote Krähe, der junge Geheimnismann.
    Die Biber waren die Kleinen, Klugen, gut Versteckten, der Listen Kundigen. Von ihnen kam die Kraft, den großen Steinmännern zu widerstehen. Rote Krähe hatte die Legende vom Steinknaben bei Hetkala gehört und gut begriffen.
    Eine große Versuchung überkam ihn. Er spürte, wie sie in ihm keimte, wie sie wuchs und groß wurde, ohne daß er es verhindern konnte.
    Er beugte sich zu Ite-ska-wih herab und atmete sie an. Sie öffnete ihre Augen, sie hatten einen geheimnisvollen, sonderbaren Glanz.
    »Der Biber hilft dir; der Biber hilft uns«, sagte er zu der Kranken. »Warte auf den Biber. Stirb nicht. Warte auf den Biber. Er kommt und spricht zu dir. Er spricht zu uns. Hau.«
    Ite-ska-wih ließ ihre Augen offen stehen. Ihre Augenlider zuckten nicht; ihre Augäpfel blieben unbeweglich, in ihren Pupillen spiegelte sich nur das Bild des dunkelhäutigen Siksikau; seine Kraft und Leidenschaft drang aus seinem Blick in sie ein.
    Rote Krähe richtete sich wieder auf. Mit einem kleinen Wink schickte er die Frauen weg. Sie liefen in die ferne Ecke zu Iliff und hockten sich dort ins Dämmer des Raumes.
    Der Siksikau trat zu Mahto heran.
    Die Versuchung hatte ganz von ihm Besitz genommen. Er mußte es tun. Keine Scham konnte mehr in ihm aufkommen. Er war es, er allein, der Ite-ska-wih zu retten vermochte. Sie gehörte ihm. Niemand liebte sie mehr als der Mann, der Rote Krähe hieß. Nur ein einziger Weg blieb Hanska, um zu beweisen, daß er doch der Stärkere sei. Es würde sich zeigen, ob er imstande war, diesen Weg zu gehen.
    »Mahto«, sagte der junge Geheimnismann. »Ich kann Ite-ska-wih retten. Ich kann es. Aber ich werde es nur zu tun vermögen, wenn du sie mir gibst. Ganz und für immer gibst. Hau. Hast du mich verstanden? Mir ganz und für immer gibst. So kannst du mir und allen guten Geistern beweisen, daß du sie nicht um deinetwillen liebst, nicht, weil du deine Freude mit ihr haben möchtest, sondern daß du sie um ihretwillen liebst und nichts mehr wünschen kannst, als daß das Leben in ihr bleibt. Du mußt dich entscheiden.«
    Hanska blieb die Antwort schuldig. Ein Schlag hatte ihn getroffen. Er konnte nicht mehr denken. Er konnte Ite-ska-wih nicht mehr sehen, auch nicht den Geheimnismann. Farben ohne Grenzen schwammen ihm vor den Augen.
    »Ich warte«, sagte sein Freund Rote Krähe.
    Sein Freund?
    Hanska war zumute, als ob ein Messer, genau aufs Herz gezielt, langsam, aber nicht aufzuhalten, in ihn eindringe.
    Er hatte Ite-ska-wih gefunden. Er allein. Kein anderer. Er liebte Ite-ska-wih, wie er sein eigenes Leben liebte. Er liebte sie mehr als sein eigenes Leben. Sie hatte Inya-he-yukan gesehen, im Leben und im Tode. Sie war ihm gefolgt. Sie trug den Samen seines Kindes und wollte es gebären. Sie war sein.
    Aber bald würde er nur noch die entschlafene Ite-ska-wih sein nennen können. Er vermochte ihr keine Kraft mehr zu geben. Sie vertraute seiner Kraft und seinen Waffen nicht. Erst für den Geheimnismann hatte sie die Augen wieder geöffnet.

Das Blut pochte in ihm. Er hätte seinen Freund erschlagen können.
    Aber er blieb stehen, wie selbst von einem Beil getroffen, vielleicht würde er zurückschlagen, und der Siksikau blieb auf der Strecke, oder er würde selbst tot hinstürzen, weil es nicht zu ertragen war, was der andere von ihm verlangte.
    Die verschwommenen Farben grenzten sich allmählich wieder voneinander ab. Er sah Ite-ska-wih. Er selbst konnte sie nicht retten. Das Nervenfieber schüttelte sie.
    Hanska trat einen Schritt zurück.
    »So nimm sie«, sagte er. »Ich liebe ihr Leben. Ihres, nicht das meine.«
    Er ging von Ite-ska-wihs Lager weg, ließ sich am dunkelsten Platz des Blockhauses nieder und schlug eine Decke über Kopf und Schultern, so daß er nichts mehr von seiner Umgebung wahrnahm.
    Der Siksikau fixierte Ite-ska-wih. »Warte«, befahl er wieder. »Warte! Der Biber sendet dir seine Kraft.«
    Er suchte,

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