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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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für dich gegeben, Ite-ska-wih. Achte den alten Biber und lebe.« Er schlug die Decke, mit der die Kranke bis über den Hals bedeckt war, zurück und begann, ihre Halsschlagader mit dem wenigen breiartigen Saft, den er besaß, langsam und tief einwirkend einzureiben. Er hatte Geduld. Seine Hände waren nicht nur kraftvoll, sondern auch weich und einfühlsam; sie waren die eines Arztes. Ite-ska-wih wandte Rote Krähe den Blick zu und tat einen Atemzug, der sie nicht mehr zu schmerzen schien. Die schlaff gewordenen Muskeln kräftigten sich; sie belebten sich wie unter einem leichten elektrischen Strom.
    Ite-ska-wihs Leben kehrte wieder.
    Rote Krähe blieb noch lange bei ihr und bestrich alle ihre Pulse. Als sie die Glieder rühren und lächeln konnte, sprach sie auch die ersten Worte eines wiederum neuen Lebens.
    »Grüßt mir den alten Biber. Ich will wieder leben, das Leben, das er mir wiedergeschenkt hat. Ich will standhafter werden, als ich es war.«
    »Das wirst du dem alten Biber eines Tages selbst sagen, Ite-ska-wih.«
    Sie antwortete nicht; sie strich mit ihrer mageren Hand über das Fell, auf dem sie lag. Es war eine sanfte, sehr ruhige Bewegung. Man konnte den Eindruck haben, daß sie dem Fell wohl tat, und sie war wohltuend für die Menschen, die nicht mehr um Ite-ska-wihs Leben zu fürchten brauchten. Dorothy brachte der jungen Frau einen Becher Kaffee, sie trank gern davon. Hetkala streichelte die Hand, die das Fell gestreichelt hatte. Rote Krähe wusch das Blut ab, das an seinem Körper angetrocknet war. Hanska saß noch immer abseits, mit verdecktem Haupt. Die großen Fragen konnte niemand mit einem Wort berühren.
    Nach ein paar Stunden Stille rührte es sich an der Tür. Hanska nahm die Decke von Kopf und Schultern und horchte mit den andern zusammen. Ray trat ein.
    »Was sitzt ihr hier herum und paßt nicht auf«, sagte er, kaum daß er die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Die Killer sind schon unterwegs. Sie haben Percival überfallen, als er des Nachts allein zur Whirlwind-Ranch unterwegs war. Sie haben ihn zusammengeschlagen und verunstaltet. Sie werden hierher kommen. Ist Ite-ska-wih wirklich krank?«
    »Nicht mehr«, antwortete Rote Krähe, »aber sie ist noch schwach.«
    »Das gibt sich. Sie soll sich zusammenreißen. Zieh dich an. Ite-ska-wih, und träume nicht länger. Du bist nicht im Keller bei Untschida und kannst dir nicht alte Geschichten erzählen lassen. Los! Wir müssen alle bereit sein.«
    Ite-ska-wih gehorchte. Hetkala half ihr.
    Hanska stellte Ray. »Welche Killer werden hierher kommen? Wie viele? Wo sind sie jetzt?«
    »Zwei sind es. Der Säufer und der Kurze, zwei von eurem Stamm. Gut bewaffnet. Sie kommen mit dem Auto. Richtung hierher. In einer halben Stunde können sie dasein. Willst du dich mit ihnen einlassen? Oder verteidigen wir das Blockhaus?«
    »Das greifen sie nicht an. Sie sind feige Kojoten und überfallen nachts auf den Straßen Frauen und einzelne Männer. Ich verpasse ihnen einen Denkzettel für Percival; sie sollen sich in unserer Gegend hier nicht mehr sehen lassen. Gebt ihr nur hier auf euch acht. Hau.«
    Hanska war wieder ganz er selbst. Nach Ite-ska-wih und Rote Krähe hatte er sich nicht umgesehen.
    »Okay«, sagte Ray. »Hanska, du bist der Boss. Mir macht das Spaß hier. Endlich kann man selber wieder etwas tun. Nur Worte auf dem Hügel, das hatte ich schon satt.«
    »Halte deine Zunge im Zaum, Ray. Wir sind keine Gangster.«
    Hanska war bei seinen Worten in die schwarze Kleidung Inya-he-yukans gefahren, hatte den Schulterhalfter mit den beiden voll geladenen Pistolen umgeschnallt, setzte den Cowboyhut auf und nahm das Lasso. So verließ er das Haus, holte sich den Jaguar und fuhr auf dem unbefestigten Prärieweg, über die Pferdeweide fort vom kahlen Berg.
    Dabei machte er absichtlich Motorlärm, der in der vollkommenen Stille der einsamen Wiesen wohl über eine Unzahl von Meilen zu hören sein mußte.
    Was mochten die Killer beim kahlen Berg suchen? Das Blockhaus sicherlich nicht. Aber zum Beispiel die Pferde verjagen oder erschießen, das würde ihnen Freude machen. Noch mehr mußte es sie reizen, des Nachts ein einzelnes Auto zu verfolgen, das, wie sie vermuten konnten, von einem Aufrührer gefahren wurde. Damit rechnete Hanska-Mahto.
    Er ließ seinen Jaguar von Zeit zu Zeit stottern und den Motor knurrende Laute von sich geben.
    Nach etwa 20 Minuten konnte er feststellen, daß er sich nicht verrechnet hatte. Ein Wagen kam hinter ihm her. Das

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