Das helle Gesicht
Kleidung war einst Inya-he-yukans bester Anzug gewesen. In ihr war er zum Stamm zurückgekehrt. Jahrelang hatte er sie getragen: bei seinem ersten Rodeo in New City, seinem Rodeosieg in Calgary, seinem Gang zu Miss Bilkins, um das Kind Hanska zu retten. Sie sah an vielen Stellen abgewetzt, aber nicht schäbig aus, und Hanska hatte die Figur, um sie zu tragen.
In der Agentursiedlung parkte er vor dem einstöckigen Verwaltungsgebäude auf einem der für Gäste und Besucher vorgesehenen Plätze. Ite-ska-wih folgte ihm mit einer gewissen Beklemmung in das Haus, in dem Miss Bilkins ihr, von Amtsgewalt gestützt, entgegentreten wollte.
Es war 10 a.m. Im Korridor warteten schon einige Frage- und Antragsteller. Diesen und jenen grüßte Hanska mit den Augen. In einer halben Stunde war es soweit.
Ite-ska-wih trat in das Dienstzimmer von Miss Bilkins ein; Hanska folgte ihr unmittelbar.
Miss Bilkins beherrschte sich, aber sie konnte vor sich selbst nicht leugnen, daß sie beim Anblick des schwarzen Cowboys erschrak. Erinnerungen an zahlreiche Auseinandersetzungen mit Joe King, auch an solche, bei denen es um seine Frau Queenie gegangen war, wurden mit einem Schlag in ihr wach. Sie beugte sich über ein Blau Papier und machte ein paar Notizen, um sich dabei zu sammeln. Den schwarzen Cowboy, der nicht vorgeladen war, hinauszuweisen kam nicht in Frage, denn gerade ihn wollte sie in ihre Pläne einordnen.
»Miss Mara… Mara, wie ist Ihr Familienname?«
»Okute.«
»Sie sind keine Bighorn?«
»Nein. Verwandte der Kings in der weiblichen Linie.«
»Oh… in der kanadischen Linie?«
»Ja, Miss Bilkins.«
»Fein. Wie alt sind Sie?«
»Vierzehn. In vier Wochen werde ich fünfzehn.«
Ite-ska-wih und Hanska standen vor der Schranke, durch die die Besucher von Miss Bilkins getrennt wurden. Eine Schranke hatte es immer gegeben; sie schützte die Diensttuenden vor den ihnen anvertrauten Wilden. Hanska erinnerte sich sehr wohl daran. Der Unterschied gegenüber früher lag nur darin, daß das Holz neu und hell poliert war, wie überhaupt das gesamte Dienstgebäude, einst sehr bescheiden in Brettern ausgeführt, jetzt im neuen Glanz von roten Backsteinen und weiß gestrichenen Holzteilen erstanden war.
Miss Bilkins hatte eine Pause eingelegt, denn es fiel ihr etwas auf. War dieses Kind etwa schwanger? Sie sprach aber zunächst nicht von ihren Wahrnehmungen und Vermutungen, sondern fragte weiter.
»Sie haben die Schule besucht?«
»Acht Jahre.«
»Warum nicht… ach so, ja, Sie sind erst vierzehn. Also acht Jahre, ganz in Ordnung. Sie haben gute Zeugnisse? Ihre Aussprache des Englischen ist nicht schlecht.«
Miss Bilkins ordnete diese hübsche junge Indianerin, ihre sichere Haltung in den Typ »der neue Indianer« ein. Früher war es schwieriger gewesen, von Indianern Antworten zu erhalten, die in einem Büro als präzise gelten konnten. Früher war es aber auch leichter gewesen, Indianern gegenüber als patriarchalische Macht aufzutreten. Verflogen war die gottgewollte, fortschrittsgläubige Autorität, geblieben waren nur die Amtsgewalt und die Schranke.
»Meine Zeugnisse liegen in Chicago.«
»Was tun Sie hier?«
»Ich bin auf Besuch bei meinem Verlobten Hanska Bighorn.«
»Mit Erlaubnis Ihrer Eltern?«
»Meine Eltern sind tot. Mit Erlaubnis meiner Großmutter.«
»Diese Erlaubnis könnten Sie, wenn nötig, auch schriftlich beibringen?«
»Ja.«
»Soweit also o. k. Wer kommt für Ihren Unterhalt hier auf?«
»Mister Hanska Bighorn.«
»Ah. Mister Bighorn.« Miss Bilkins wandte sich dem schwarzen Cowboy zu. »Haben Sie Arbeit?«
»Genug. Aber keine bezahlte.«
Der helle Stimmklang der Antworten Ite-ska-wihs wurde jetzt von dem dunklen Hanskas abgelöst.
»Sie wohnen bei Mister Hugh Mahan. Sie sind sein Gast?«
»Ja, aber ich besitze auch selbst Mittel für meinen Unterhalt. Ich brauche keine Wohlfahrtsunterstützung.«
»Auf die Dauer selbständig?«
»Ich bin achtzehn geworden und habe als Reservationsangehöriger das Recht auf Land.«
»Land! Wozu?«
»Pferderanch.«
»Sie haben mit zwölf Jahren schon einen Rodeopreis gewonnen. Das war eine Sensation. Sie könnten Cowboy auf einer großen Ranch werden. Wie wäre es damit?«
»Ich werde kein Knecht.«
»Jugendlicher Überschwang. Aber lassen wir das erst einmal. Ihre Verlobte Mara könnte hier die Schule weiter besuchen und in vier Jahren das Baccalaureat machen. Wie wäre es damit?«
»Das ist ihre Sache.«
»Sie haben moderne Auffassungen über die
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