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Das helle Gesicht

Das helle Gesicht

Titel: Das helle Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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immer ähnlicher. Also sagen wir – ins Zelt, wenn Sie gestatten. Wie ist das übrigens mit Joe? Kommt er nun bald zurück?«
    »So bald wie Queenie, seine Frau.«
    Frau Carson hielt mitten im Gehen an, einen Fuß noch in der Luft. »Sie sprechen in Rätseln, Mahan.«
    »Die Wirklichkeit bietet sie uns, Missis Carson.«
    »Hören wir damit lieber auf. Wir bringen Ihnen eine phantastische Nachricht, Mahan.« Mississ Carson ging weiter zum Zelt und bemühte sich, möglichst gewandt hineinzuschlüpfen, während Tatokala den Spalt offen und den Eingangsvorhang zur Seite hielt.
    »Ah. Gemütlich. Schattig. Duft des röstenden Fleisches.« Mississ Carson ließ sich mit ihrem Begleiter in der Nähe der Feuerstelle nieder. Hetkala hatte sich zurückgezogen.
    Wasescha blieb noch stehen. Tatokala und Ite-ska-wih hockten sich zu Hetkala in den Zelthintergrund. Hanska arbeitete draußen weiter.
    Mississ Carson steckte sich eine Zigarette an. Der fremde Indianer machte sich breit. Er hatte ein vierschrötiges Gesicht und dicke Schenkel. Ite-ska-wih gewann den Eindruck, daß er und Wasescha sich kannten. So feindselig kalt konnten sich nur Menschen messen, die einander schon kennengelernt hatten. Wasescha hatte noch immer die Axt in der Hand. Sein linker Mundwinkel zog sich herab, eine Ausdrucksweise für Verachtung, die auch Inya-he-yukan eigen gewesen war. Hanska hatte gelegentlich davon erzählt.
    Mississ Carson ließ sich von der gespannten Atmosphäre zwischen den beiden Männern nicht beeindrucken.
    »Es ist eine Schande«, sagte sie zu Mahan gewandt, »daß man Ihrer Mutter das Haus zerstört hat. So kann man Meinungsverschiedenheiten nicht austragen. Das Zerstören des Zeltes galt zwar früher in Ihrem Stamm als eine Strafe für Übeltäter, wurde aber nur auf Ratsbeschluß ausgeführt. Wissen Sie, wer die Rowdies gewesen sind, die hier getobt haben?«
    »Meine Mutter Hetkala hat den Anführer erkannt.« Mahan nahm die Axt aus der linken in die rechte Hand, eine Geste von symbolischer, aber ohne jede praktische Bedeutung, da er geborener Linkshänder war, der beide Hände gleich gut geübt hatte.
    »Und der Anführer war?«
    »Mister White Horse weiß das am besten.«
    »Und der war, Mister White Horse?«
    »Schamlose Lüge«, sagte der Vierschrötige.
    Mississ Carsons Augen wurden kugelrund; sie wiegte den Kopf und strich über das blondierte, gut ondulierte Haar.
    »Ich habe viele Talente«, sagte sie und spitzte die Lippen ein wenig. »Am häufigsten zeige ich das eine: in Fettnäpfchen zu treten. Sie verzeihen mir allseits. Mister White Horse und ich sind gekommen, um Ihnen, Mister Mahan, ein Angebot zu übermitteln. Sie können in der Verwaltung im Rahmen des Wohnungsbeschaffungsprogramms ein Einfamilien-Holzhaus von der üblichen Bauart erhalten oder eine der Wohnungen in unseren neuen Wohnblocks. Das letztere ist natürlich empfehlenswerter, denn da haben Sie Licht- und Wasseranschluß.«
    »Was Sie nicht sagen, Missis Carson.« Wasescha verließ seinen Standplatz nicht.
    »Mister White Horse kann es Ihnen bestätigen. Er hat die Verwaltung der neuen Wohnhäuser.«
    »Der Mietkasernen, in die die Leute ziehen, die ihr Land aufgeben und auf Rente zugrunde gehen mögen. Das bieten Sie mir im Ernst an?«
    »Aber Mahan! Was sucht ein Mann mit Ihren Fähigkeiten bei diesem Sumpfloch hier inmitten von einigen Vierfüßlern?«
    »Einen Rest indianischer Erde und meine Freiheit.«
    »Habe gar nicht gewußt, daß Sie so ein Romantiker geblieben sind.«
    »Missis Carson, Sie leben schon lange auf unserer Reservation. Haben Sie noch immer nicht begriffen, worum der Kampf geht? Darum: ob wir ein Volk mit seinem Land bleiben oder ein trüber Haufen arbeitsloser Rentner werden, dessen Kinder auswandern!«
    »Mahan, ich streite mich nicht mit Ihnen, weil ich dabei den kürzeren ziehe. Sie sind mir ein zu gewandter Fechter. Lassen wir die Rente und das Mietshaus. Ein Einfamilien-Holzhaus lehnen Sie doch nicht ab? Wer in aller Welt erhält Häuser geschenkt außer Ihr Indianer?«
    »Was heißt ›geschenkt‹, Missis Carson? Bezahlt mit unserem eigenen Geld, über das der Stamm nicht selbst verfügen darf.«
    »Also wollen Sie oder wollen Sie nicht?!« rief White Horse.
    »Mit Ihnen rede ich nicht. – Missis Carson, Sie sind auf eine ungewöhnliche Weise hier erschienen und machen ein überraschendes Angebot. Ich habe kein Haus beantragt, ich baue mir selbst eines, so wie mein Urgroßvater es auch getan hat. Was soll das

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