Das helle Gesicht
Ite-ska-wih war es gewiß, daß sie dort wohnen und ihr Kind gebären würde, ebenso wie Inya-he-yukans Mutter, die aus Kanada hierher gekommen war, ihren Sohn in diesem alten Blockhaus geboren hatte. Daneben sollte des alten Inya-he-yukan prächtiges Zelt aufgeschlagen werden, dessen Planen Hanska zwischen dem Gerümpel im Blockhaus hatte liegen sehen. Indianisches Leben würde sich auftun, um eines Tages Joe und Queenie Kings Kinder zu empfangen.
Es konnte noch Wirren und Schwierigkeiten geben, aber das Schicksal hatte gesprochen, und Ite-ska-wih wußte, wo sie mit Hanska, ihrem eigenen Kind und Inya-he-yukans Kindern künftig hingehören würde. Leicht würden sie es nicht haben auf dem kleinen eigenen Fleck inmitten der weißen Landräuber, eingekreist, abhängig. Aber wann hatte es ein Indianer je leicht gehabt? Weil sie es schwer hatten, darum gehörten sie zu Inya-he-yukans Volk. Einen solchen Gedanken hatte er selbst einmal ausgesprochen. Hanska bewahrte die Worte seines Wahlvaters und teilte das Wissen davon mit Ite-ska-wih.
Das Brüllen, mit dem Rinder sich riefen, kündigte an, daß man in die Gegend der Viehranches kam.
Hanska umfuhr Myers Pachtgelände und kam mit seinem Wagen am Spätnachmittag zu Bobs kleinem Ranchhaus, bei dem eine Menge Kinder spielten, kleine und große, eigene und fremde. Melitta saß auf der Terrasse, die Bob zu ebener Erde an das Haus angebaut hatte. Indianerhäuser wurden ohne solche landesübliche Terrassen geliefert.
Ite-ska-wih setzte sich mit Melitta zusammen. Bob und Hanska ritten im anbrechenden Abenddämmer noch einmal auf die Weiden. Man fiel nicht mit Fragen und Antworten übereinander her wie in einem Büro, in dem die Sprechzeiten durch Dienststunden eingegrenzt und die Menschen durch Schranken voneinander getrennt waren. Denken und Fühlen konnten ausklingen wie der Tag.
Als die Kinder sich müde gespielt und satt gegessen hatten und freiwillig schlafen gingen, brachte Melitta für ihre Gäste eine Abendmahlzeit von Rindfleisch und Brühe auf den Tisch, für Hanska und Ite-ska-wih ein seltener Genuß. Die Kraftbrühe belebte alle. Hanska ließ Ite-ska-wih berichten. Er hörte aufmerksam zu und war zufrieden, daß sie alles, was gesprochen worden war, sehr genau wiedergab.
»Und nun?« fragte Bob.
»Nun sollst du auskundschaften«, sagte Hanska, »ob sich Myer dazu bewegen läßt, für Joe Inya-he-yukans Kinder das Stückchen Land herauszurücken, das der Familie King zusteht und das er gegen alles Recht und Gesetz vereinnahmt hat. Ich verwalte es dann, bis Harry groß ist.«
Während Hanska sprach, hatte Ite-ska-wih nach der Tür geschaut, über der in zwei großen Haken das Gun lag, das gewiß schußfertig war. Bob hatte die Blickrichtung bemerkt, und da er Zeit zum Überlegen gewinnen wollte, antwortete er zunächst nicht auf Hanskas Vorschlag, sondern auf Ite-ska-wihs nicht ausgesprochene Frage.
»Braucht man wieder. Ich bin auch schon gewarnt worden. Der Killerchief speit Gift und Galle, weil die Sache mit Pedro aufgerollt worden ist und der Superintendent unsere Versammlung beim Begräbnis nicht verbietet, das heißt, daß er nicht wieder Militärpolizei gegen uns einsetzt. Fünf Killer des Chief sind abgegangen; einer, der Polizist, ist mit seinem Sohn aus der Reservation ausgewandert, zwei sind an Alkoholvergiftung gestorben, zwei spurlos verschwunden. Wenn solche Leute wie der Chief Mißerfolg haben, wüten sie wie der Stier, der rot sieht. Wasescha soll sich in acht nehmen. Ich denke, er ist der nächste auf der Abschußliste. – Moment übrigens.«
Bob stand auf, ging in den zweiten Teil des Hauses und kam mit einem alten Gewehr zurück.
»Da, Hanska, es gehört dir, das Gewehr deines Vaters. Mit Rays Sportgewehr läßt es sich freilich nicht vergleichen, es ist uralt, aber schießen kannst du immer noch damit, hier noch das Päckchen Munition dazu. Ich habe das Zeug von Myer bekommen, aus dem alten Blockhaus. Er hat mir auch einen Lockvogel für dich mitgegeben: Inya-he-yukans altes Zelt. Es ist Gold wert! Morgen früh nehmen wir die Planen auseinander. Du kannst dann Myer bestätigen, daß du dieses Tipi wieder erhalten hast. Bei der Gelegenheit kommst du mit ihm ins Gespräch. Er will durchaus mit dir selbst reden.«
»Der Alte oder der Junge?«
»Beide. Die stehen immer Rücken an Rücken, als wenn sie zusammengewachsen wären. Nur der Enkel geht seine eigenen Wege und ist frech. Übrigens mußten sie ihren Senior-Cowboy rauswerfen –
Weitere Kostenlose Bücher