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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mehr, sie fluchten und schrien und drängten sich rücksichtslos zu den Flugzeugen. Ein Stab von Ärzten und Sanitätern regelte das Verladen; vor allem die Schwerverletzten bekamen ihren Platz in den Ju 52 und wurden nach Westen geflogen.
    Am 25. November kam Assistenzarzt Dr. Körner wieder in seine alte Stellung im Trümmerfeld von Stalingrad zurück. Drei Tage zuvor hatte der Kommandierende General des I. Armeekorps, General v. Seydlitz, die anderen Korpskommandeure General Jaenicke, General Heitz, General Strecker und General Hube zu einer Besprechung nach Gumrak gebeten und ihnen einen Ausbruchplan vorgelegt. Mit allen verfügbaren, auf engstem Raum zusammengezogenen Kräften sollte die 6. Armee nach Südwesten durchbrechen. Eine stählerne Faust sollte den sowjetischen Eisenring zerschlagen und Anschluß an die 4. Panzerarmee finden, die jenseits des Kessels, nahe genug, wartete, aber nicht genug Kräfte hatte, den Riegel allein aufzureißen. Am 24. November standen 130 Panzer bereit, den ersten Stoß zu führen; ihnen folgten Gruppen von Panzerspähwagen und Gefechtsfahrzeugen als Verstärkung. 17.000 Mann Kampftruppen standen bereit für die erste Welle, die den Riß erweitern sollte, ihnen folgten dann als zweite Welle 40.000 Soldaten.
    Die Stellungen in den Kellern und Bunkern der Stadt wurden zum Verlassen vorbereitet. Die Stoßtrupps hockten zwischen den Trümmern und warteten. Bei allen Regimentern begann das große Vernichten. Alles überflüssige Gerät, alles sperrige Material, alles nicht notwendige Gepäck wurde zerstört. General v. Seydlitz gab ein Beispiel dessen, was er unter ›Marscherleichterung‹ verstand: Er verbrannte alles, was er hatte … seine Wäsche, seinen zweiten Mantel, Uniformen … nur was er am Leibe trug, blieb übrig. Im Norden der Stadt zogen sich die Truppen aus den festen Bunkern und Kellern zurück, räumten die Trümmerfelder und legten sich in Bereitschaft zum Ausbruch … in Schneelöchern, vereisten Hügeln und Schluchten. Verwundert stieß der Russe mit starken Kräften nach, fand verlassene deutsche Bunker, vernichtete die Nachhuten und verstand nicht, was er sah.
    Am 24. November, kurz vor dem Ausbruch, erhielt General Paulus den Befehl Hitlers, der den Ausbruch verbot. Die 6. Armee hatte sich einzuigeln, die Versorgung aus der Luft versprach Reichsmarschall Göring. Es war der unsinnigste Befehl, der je in einem Krieg gegeben wurde. Ein Befehl, der das Leben von rund 230.000 deutschen Soldaten kostete.
    Stabsarzt Dr. Portner stand draußen zwischen den Trümmern am Lazarettkellereingang, als Körner mit einer Kolonne Essenträger durch die Laufgräben hetzte. Ein Teil der Wegstrecke lag unter russischer Einsicht, und es war ein beliebtes Spiel der Sowjets, zu den bekannten Zeiten ein Granatwerferfeuer über die Essenholer zu legen.
    Dr. Portner warf seine Zigarette weg, als er Körner erkannte. Sein Gesicht bekam einen Ausdruck wirklicher Ratlosigkeit. Er drückte aus, daß das, was er jetzt sah, zu den Einmaligkeiten seines Lebens gehörte.
    »Mensch, Körner«, sagte er fassungslos, als der Assistenzarzt keuchend vor ihm stand. »Was machen Sie denn hier? Ich denke …«
    Dr. Körner lehnte sich an einen vereisten Mauerrest. Als er mit der Hand über sein Gesicht fuhr, spürte er, daß die Schweißtropfen bereits zu harten Kugeln gefroren waren.
    »Ich bin froh, wieder hier zu sein«, sagte er heiser.
    »Wieso?« Stabsarzt Dr. Portner duckte sich. Auch Körner warf sich gegen die Wand. Neben ihnen krachte eine Mine in die Trümmer und wirbelte einige Körperteile durch den Schnee. Portner winkte ab, als Körner entsetzt zu den Gliedmaßen starrte.
    »Volltreffer in Grabtrichter fünf«, sagte er. »Was wollen Sie eigentlich hier? Sagen Sie bloß, Sie seien schon wieder freiwillig in die Scheiße zurückgekehrt …«
    »Das bin ich …«
    »Sie verrücktes Nilpferd«, schrie Portner. »Jeder von uns faltet nachts heimlich die Hände und betet, daß er überlebt, und Sie Vollidiot …«
    »Ich habe niemanden mehr als Sie und … und …«, Körner machte eine weite Handbewegung, die den Lazarettkeller, die deutschen Bunkerstellungen und die Granattrichter mit den Leichen einschloß, »und sie alle«, fügte er leise hinzu. Er senkte den Kopf und wandte sich ab. Portner sah, wie sein Rücken zuckte. Er biß sich auf die Unterlippe und schwieg so lange, bis das Zucken aufhörte und Körner den Kopf etwas hob.
    »Ihre Frau?« sagte Portner leise.
    Körner nickte

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