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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ich bin? Die mich brauchen?«
    Der Pole schwieg. Er ist ein Deutscher, dachte er traurig. Natürlich hat er recht, aber mit diesen Gedanken wird er untergehen wie Millionen mit ihm.
    »Gut«, sagte er. »Schweigen wir darüber. Werden Sie ein Held …«
    »Ich erfülle nur meine Pflicht. Was ist Ihr Traum von der Freiheit Polens anderes?«
    »Es stimmt.« Der Pole nickte. »Man kann es nicht erklären, warum sich Völker hassen … und dabei sind wir doch alle nur Menschen …«
    Etwas anderer Ansicht war die Kommission, die gegen Mittag wieder zusammenkam. Sie hatte noch keine Ahnung, was sich seit Stunden am Donbogen, bei Kalatsch und am Tschir vollzog, sie wußte noch nicht, daß eine Reihe deutscher Divisionen nur noch aus einer Nummer in der Liste bestand, die Männer, Waffen und Fahrzeuge aber durch die Luft gewirbelt waren oder in die verschneite Erde gewalzt wurden. Sie ahnten nicht, daß sowjetische Panzer mit aufgesessener Infanterie bereits weit im deutschen Rücken operierten und einen Spalt trieben zwischen der 6. Armee und der 4. Panzerarmee, einen Spalt, der sich zu einem Riß und zu einer klaffenden Wunde erweiterte, an der die Stalingradfront sich verblutete.
    »Sie wollen also wieder zur Truppe, Herr Assistenzarzt?« sagte der Kommissionsleiter, ein Oberst der Pioniere. »Ich kann Sie nicht halten. Und ich glaube, das, was Sie zu sagen hatten, haben Sie auch vorgetragen. Wenn Sie das alles noch einmal schriftlich fixieren können, damit es zu den Akten kann …«
    Dr. Körner starrte den dicklichen Oberst an. Sie ahnen noch nichts, dachte er erschrocken. Und wie werden auch morgen und übermorgen noch nichts wissen. Sie werden weiter an der Lazarettstadt Kalatsch planen, wenn der Russe schon die Stadt besetzt hat. Und auch dann werden sie weitertagen, denn: »Eines Tages werden wir es zurückerobert haben. Und dann, meine Herren …«

4
    Mit einer Transportmaschine flog Dr. Körner am 20. November von Warschau nach Kiew, von Kiew nach Stalino, von Stalino nach Morosowskaja und von dort endlich nach Pitomnik. Er kam am 23. November an, an einem Tag, als es klar wurde, daß sich die Zangen der sowjetischen Divisionen um die 6. Armee geschlossen hatten und Stalingrad zu einer Insel im wogenden roten Meer geworden war. Es war an einem Tag, an dem Tausende von Fahrzeugen sich rücksichtslos nach Westen wälzten, an dem die Trosse, die Werkstattkompanien, die Feldbäckereien, die Intendanturen, die Straßenbautrupps, die Eisenbahnformationen und die eben zurückgekommenen Urlauber in wilder Panik flüchteten, eine Meute gejagter Hasen, die über die verschneite Steppe hetzten, durch den heulenden Schneesturm, niedergemäht von den schnelleren sowjetischen Panzern oder einfach überrollt und unter die Räder genommen von den deutschen Zugmaschinen, Raupenschleppern und Lastwagen, die in unübersehbaren Kolonnen nach Westen rasten … weg aus der Umklammerung, weg vor den T 34, weg vor den Russen … Es war der Tag, an dem vor der Donbrücke Tschir die Flüchtenden in dreißig Reihen nebeneinander warteten, Tausende von Fahrzeugen, eine Zusammenballung kopfloser, schreiender, das nackte Leben ohne Rücksicht auf den Nebenmann rettender Menschen … fünfhundert Meter breit … ein Riesenteppich der Verzweiflung.
    Als Dr. Körner in Pitomnik landete, standen auf dem Flugplatz 41 Schwestern aus dem Armeelazarett Kalatsch und warteten darauf, von Pitomnik nach Kiew ausgeflogen zu werden. Ein Oberstabsarzt stand mitten unter ihnen und stürzte auf Dr. Körner zu, als dieser von der gelandeten Ju 52 über das windige Rollfeld rannte.
    »Ist das die Maschine aus Kiew?« schrie der Oberstabsarzt. »Kommen Sie meine Schwestern abholen?«
    »Nein«, rief Dr. Körner zurück. »Ich muß nach Stalingrad.«
    »So eine Scheiße«, schrie der Oberstabsarzt. »Es liegt ein Befehl vor, daß die Schwestern ausgeflogen werden. Aber keiner weiß was, keiner ist zuständig … Soll ich meine Schwestern vielleicht den Russen ausliefern?«
    Er rannte zurück in eine der Flugplatzbaracken. Die Schwestern standen an der Bretterwand, die Kragen hochgeschlagen, frierend, ängstlich, mit Koffern und Säcken neben sich.
    Dr. Körner meldete sich bei einem Oberst der Luftwaffe, der als Platzkommandant versuchte, so etwas wie Ordnung in den kopflosen Haufen zu bekommen. Auf seinem Tisch in einer der Flugplatzbaracken trafen alle Meldungen über die Einflüge ein … zusammen mit einem dicken, schwitzenden und schimpfenden

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