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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und überlegte. Es war unmöglich, einen Zettel wegzunehmen, wenn Dr. Portner noch arbeitete. Umkehren aber wollte er auch nicht, es wäre auch sinnlos gewesen. Sigbart Wallritz mußte in der Masse der zum Ausflug bereitgestellten Verwundeten verschwunden sein, ehe am Morgen die normale Lazarettarbeit begann. So lief Wallritz weiter, fiel über einen verschneiten Balken, rappelte sich wieder auf und klopfte im Schutze der Kesselwagen seine Uniform vom Schnee frei, ehe er das große Verbandszelt betrat. Dr. Portner war nicht anwesend, aber Assistenzarzt Dr. Körner verband auf einem Küchentisch, der als zweiter OP-Tisch diente, einen Kopfverletzten. Vier Tragen standen neben dem Tisch. Auf ihnen lagen Verwundete, die auf ihre Versorgung warteten. Zwei fremde Sanitäter saßen neben dem Ofen und tranken aus einem Blechbecher heißen Tee. Knösel half beim Verbinden, ebenso ein Sanitätsobergefreiter, der Nachtdienst hatte. Mit einem Sanka waren diese vier Schwerverletzten eingeliefert worden; sie hatten Glück gehabt und waren im Schneesturm nicht steckengeblieben wie die anderen Wagen, die irgendwo herumlagen zwischen Stalingrad und Gumrak, am Tatarenwall oder in der Gontschara-Schlucht. Stabsarzt Dr. Portner saß bei einer Besprechung in der zentralen Verwaltungsstelle Gumrak und kämpfte für seine Verwundeten um Plätze in den Flugzeugen.
    »Gut, daß Sie kommen, Wallritz«, sagte Dr. Körner, als er nach dem kalten Windzug blickte, der mit Wallritz in das Zelt strömte. »Dort liegt ein Bauchschuß … Sie müssen narkotisieren …« Er nahm aus der Hand Knösels die Leukoplastrolle und verklebte den Kopfverband. »Ich hätte Knösel sowieso zu Ihnen geschickt …«
    Wallritz antwortete nicht. Er zog seinen Mantel aus, wusch die Hände in heißem Schneewasser und tauchte sie dann in eine flache Wanne mit einer Lysoformlösung. Das war zwar eine mehr symbolische Desinfektion, aber es war nichts anderes vorhanden.
    Eine Stunde arbeiteten sie still, fast wortlos. Sie versorgten die Schwerverwundeten, soweit es ihnen möglich war, wechselten die Notverbände, gaben Tetanusinjektionen, spritzten schmerzstillende Mittel und reinigten die Wunden. An eine gründliche Operation war nicht zu denken, dazu fehlten die Mittel und die Instrumente. Man konnte nur wegschneiden, amputieren, reinigen, Projektile herausnehmen … was darüber hinausging, mußte die Natur selbst heilen.
    Feldwebel Wallritz stand neben dem eisernen Kasten mit den ›Lebensbillets‹. Er sah zu Dr. Körner hinüber, der die letzte schmerzstillende Injektion gab. Eine große Ruhe war über ihn gekommen. Er sah auf die Zettelstapel unter seinen Fingern. Es war einfach, einen wegzunehmen und die vorgestrichelten Rubriken mit dem Namen auszufüllen.
    Sigbart Wallritz … Funker …
    »Alle ausfliegen?« fragte Wallritz. Dr. Körner sah über die Tragen.
    »Ja. Mehr als zurückschicken kann man nicht. Schreiben Sie die Zettel aus.«
    Er wandte sich ab, ging zum Waschbecken und schrubbte seine blutverschmierten Hände. Irgendwo mußte in den Gummihandschuhen ein Loch sein, Knösel sollte sie morgen früh untersuchen und kleben … es würde bald eine Zeit geben, wo Gummihandschuhe so knapp waren wie Brot und sauberes Wasser.
    Feldwebel Wallritz sah auf die Soldbücher, die auf dem ›Bürotisch‹ lagen, die Soldbücher der noch in Narkose schnarchenden Verwundeten. Er nahm nach einem kurzen Blick zu Dr. Körner fünf ›Lebensbillets‹ aus dem Kasten statt vier und legte sie übereinander. Dann füllte er sie aus … Kopfschuß, Zertrümmerung linkes Schläfenbein … Bauchschuß, Durchschuß des Magenausganges (ein roter Strich in der Ecke, dringender Operationsfall) … Zertrümmerung des Schulterblattes durch Explosivgeschoß …
    Und dann füllte er den fünften Zettel aus. Sigbart Wallritz … geb. 25.5.1923 … Schußzertrümmerungsfraktur linker Oberarm und Schultergelenk, Radialis- und Medialis-Lähmung. In die rechte obere Ecke setzte er in Rot ein großes G. Das bedeutete ›gehfähig‹. Für diese Verwundeten gab es immer wieder eine Ecke, in die sie sich quetschen konnten, um mit den Flugzeugen in Sicherheit zu fliegen.
    Die beiden fremden Sanis begannen, die Tragen einzeln wegzutragen in die Wartezelte am Bahngleis. Knösel dirigierte sie. Seit er seine Truppe in den Trümmern von Stalingrad nicht wiedergefunden hatte, war er auf Wunsch Dr. Portners fest dem Lazarett zugeteilt worden. Er galt als ›vereinnahmter Versprengter‹.
    Wallritz

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