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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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umwickeln. Erst dann löste er sich aus dem Schatten und trat in den Lichtkreis der Kerzen.
    »Sie sollten ein paar Blutflecke auf den Verband tun«, sagte er.
    Die Brüder Wallritz fuhren herum. Horst ließ das Verbandspäckchen, das er in der Hand hielt, fallen, Sigbart beugte sich geistesgegenwärtig nach vorn und röchelte laut. Die dunkle Gestalt kam noch einen Schritt näher. Jetzt erkannte Feldwebel Wallritz das Gesicht. Es war Dr. Körner, und er starrte unverwandt auf den auf der Schiene liegenden, unverletzten Arm Sigbarts.
    »Herr Assistenzarzt …«, stotterte Wallritz.
    »Sagen Sie dem Mann, er soll endlich mit der idiotischen Röchelei aufhören.«
    Augenblicklich schwieg Sigbart, sein Kopf zuckte hoch, und er starrte den jungen Arzt aus Augen an, in denen alles lag, von der Angst bis zur Mordlust, vom Betteln bis zur Verzweiflung. »Wissen Sie, was Sie da tun?« fragte Körner.
    Wallritz bückte sich und hob das Verbandspäckchen vom Boden auf. Sinnlos rieb er es an der Uniformjacke ab, weil es ein wenig schmutzig geworden war, aber es wurde durch die Reiberei nur noch grauer.
    »Mein Bruder Sigbart, Herr Assistenzarzt«, sagte er dabei, als stelle er in einer Gesellschaft jemanden vor. »Wenn ich Ihnen erklären darf …«
    Dr. Körner setzte sich auf einen Schemel und sah wieder den halbverbundenen gesunden Arm auf dem ›Stuka‹ an. Es bedurfte keiner Erklärungen; was er sah, war völlig klar. Nur über das, was nun folgen mußte, würde man Worte machen müssen, viele Worte.
    »Was darauf steht, wissen Sie, Wallritz«, sagte er. »Mein Gott, wie konnten Sie nur solch ein Idiotie begehen? Gerade Sie.«
    Feldwebel Wallritz schluckte mehrmals. »Bis jetzt hat es kein anderer gesehen als Sie, Herr Assistenzarzt …«
    »Soll das eine Bitte sein, mich mitschuldig zu machen?«
    »Wenn Sie nichts gesehen haben …«
    »Wallritz. Um uns herum liegen Tausende von Verwundeten, die auf einen Platz in einem Flugzeug warten und während dieses Wartens erfrieren und krepieren, und Sie schreiben einen Flugschein aus für einen Gesunden …«
    Wallritz warf das Verbandspäckchen im hohen Bogen weg. Gleichzeitig griff er mit beiden Händen nach seinem Bruder, riß dessen rechte Hand nach hinten und schlug mit der Faust unbarmherzig unter das Kinn. Sigbart Wallritz kippte zur Seite und schlug mit der Stirn gegen die Trageholme der Bahre. Aus seiner rechten Hand rollte eine Pistole vor die Füße Dr. Körners.
    »Auch das noch.« Dr. Körner bückte sich. Der Sicherungsflügel war herumgelegt, die Waffe geladen und schußbereit. Feldwebel Wallritz saß leichenblaß neben seinem besinnungslosen Bruder. So geht eine Familie dahin, dachte er, und wunderte sich, daß er überhaupt noch so denken konnte. Der Vater im KZ, die Mutter vielleicht unter den Bomben und die Söhne vor den Gewehrläufen eines Erschießungskommandos. 1942, im Dezember.
    »Es ist nicht mehr zu ändern, Herr Assistenzarzt«, sagte Wallritz mit fester Stimme. »Rufen Sie die Feldgendarmerie.«
    Dr. Körner steckte die Pistole ein. Daß er das Zelt betreten hatte, war ein Zufall gewesen. Der Schneesturm hatte an Heftigkeit nachgelassen, der Wind war müde geworden, und nun schneite es nur noch, wie eine Erinnerung an einen weihnachtlichen Abend, wenn die Flocken lautlos gegen die Scheiben schwebten und dort am warmen Glas zerschmolzen. Im OP-Zelt hatte er Licht gesehen und war hinübergegangen, um Feldwebel Wallritz zu sprechen. Ohne Grund, nur um etwas zu sprechen, um die angespannten Nerven zu beruhigen.
    »Sie wollten etwas erklären, Wallritz«, sagte Dr. Körner ernst. »Ich habe Sie bisher nie für einen Verrückten gehalten.«
    »Sie … Sie wollen mich tatsächlich anhören …«
    »Natürlich. Das ändert allerdings nichts an dem, was ich gesehen habe. Mich interessieren nur die Beweggründe, aus denen ein bisher zuverlässiger Mensch zu einem Idioten wird.«
    Wallritz bückte sich und hob den noch immer auf dem Boden liegenden Brief seiner Mutter auf. Er hielt ihn Dr. Körner hin, und jetzt zitterte sein ausgestreckter Arm so heftig, als habe er einen eisigen Schüttelfrost.
    »Bitte, Herr Assistenzarzt … Wenn Sie das lesen möchten … mein Bruder hat es mitgebracht … Vielleicht …« Er senkte den Kopf und verschluckte die Fortsetzung des Satzes. Es war sinnlos, ihn auszusprechen. Es konnte kein Verständnis geben.
    Dr. Körner las den Brief langsam und Wort für Wort, als müsse er ihn auswendig lernen. Er hatte dabei das Empfinden,

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