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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Krieg, und du sitzt da und tötest meine Brüder. Es ist schade, Freundchen … viel lieber säße ich mit dir an einem Tisch und tränke einen Wodka.
    Der Offizier ließ den Zeigefinger sinken. Im gleichen Augenblick spien die Rohre Feuer und bäumten sich auf. Gleichzeitig aber, als sei auch er an der Schußleine befestigt, war Kaljonin emporgesprungen und hatte unter gleichzeitigem Abziehen der Reißleine die geballte Ladung weggeworfen. Sie fiel vor dem mittleren Geschütz in den Schnee, nicht weit davon ein zweiter dunkler Ballen wie ein runder Stein. Und vor oder neben jedem Geschütz lagen nun zwei solche Steine, stumm, dunkel, in sich den Tod, der wenige Sekunden wartete.
    Qualmend fielen die Kartuschen aus den aufgerissenen Verschlüssen, eine neue Granate lag in der Hand des Ladeschützen, der junge Offizier suchte schon ein neues Ziel auf der Karte.
    »Jetzt«, sagte Kaljonin. »Jetzt …«
    Sie duckten sich, und dann brach vor ihnen die Hölle auf, fast gleichzeitig explodierten die sechs geballten Ladungen und rissen die Geschütze um, zerfetzten die Leiber und jagten den mit einer Zeltplane abgedeckten Kartuschenstapel in den bleiernen Himmel. Wildes Geschrei gellte über den Fabrikhof, tierisches Schmerzgebrüll, der langgezogene Ruf »Sanitääääter« und ein mehrstimmiges Stöhnen, als sich die Explosionswolke senkte.
    Kaljonin blickte über die Mauer. Es gab keine drei Kanonen mehr. Ein Gewirr zerfetzten Stahls bedeckte den Hof; dazwischen lagen die Gestalten der Kanoniere oder krochen die Verwundeten schreiend zu einem Kellereingang im Hauptgebäude der Fabrik. Von dem jungen Offizier und seinem Tisch sah man nichts mehr … wo er gesessen hatte, war ein kleiner schwarzer Trichter, als habe ein Riesendaumen in die Erde gedrückt. Weiter nichts. Kaljonin starrte auf den dunklen Fleck, bis ihn ein krummbeiniger Reiter aus Ulan Bator anstieß.
    »Was ist, Genosse Sergeant?«
    »Nichts, Brüderchen, nichts. Es war nur ein Gedanke. Gehen wir …«
    Sie krochen zurück, aber es war ein schwererer Weg als zuvor. Die Deutschen waren wild geworden. Überall schoß man, Gestalten huschten wie Fledermäuse durch die Ruinen, ab und zu hörte man einen lauten Schrei, dann das Hämmern der MGs und das helle Bellen der Maschinenpistolen. Und die Artillerie schoß, aber nicht die deutsche, sondern die sowjetische, und sie schoß genau dahin, wo Kaljonin und seine Männer durch die Trümmer hetzten, mit heraushängender Zunge und keuchendem Atem, stolpernd, springend, fallend, kriechend, sechs um ihr Leben rennende Menschen, die plötzlich ängstlich waren, nachdem sie ihre Tat vollbracht hatten.
    »Die eigenen schießen auf uns«, schrie der Krumme aus Ulan Bator. Er blieb hinter einem Mauerrest stehen. Vor ihm schwankte der Junge aus Irkutsk, warf die Arme hoch und fiel auf das Gesicht. In seinem Rücken qualmte ein großer Splitter, und es roch nach verbranntem Fleisch. »Die eigene Artillerie, Sergeant …«
    Um sie herum war jetzt eine Feuerwand. Es stimmte nicht, was Major Kubowski gesagt hatte, daß man hinten nicht wüßte, wo die drei deutschen Geschütze standen. Jetzt hämmerte die schwere sowjetische Artillerie von jenseits der Wolga in die Stadt und genau auf das Stadtviertel, das Kaljonin so mutig durchsprungen hatte.
    Die sechs preßten sich an die Ruinen und starrten in die Hölle. Fast systematisch wurden die Trümmer durchgepflügt … es war wie eine Maschine, die die Erde perforierte.
    »Sie schießen gut, die Brüderchen«, keuchte Kaljonin. Er blutete an der Stirn, ein herabfallender Stein hatte ihn getroffen. Der krumme Reiter aus Ulan Bator hieb mit der Faust gegen die Mauer.
    »Es ist kein schöner Tod, von den eigenen zerrissen zu werden«, schrie er. Kaljonin winkte den anderen zu.
    »Lauft, Genossen«, brüllte er. »Jeder für sich. Im Keller des Kleiderlagers treffen wir uns …«
    Er wartete, bis die anderen durch Rauch und Steinstaub, aufwirbelnde Erde und niederstürzende Ruinen davongehetzt waren. Dann sprang auch er hinter der deckenden Mauer hervor und lief geduckt in die Feuerwand hinein. Als er es mehrfach dumpf orgelnd heranbrausen hörte, sprang er mit einem wilden Satz in ein Loch, das sich vor ihm öffnete, rollte eine steile Treppe hinunter in einen nassen, handhoch mit Wasser gefüllten Keller und platschte über den glitschigen Boden gegen eine Wand. Gleichzeitig schlug es über ihm ein, drei Riesenfäuste stampften die Erde über ihm zu, über die Kellertreppe quoll

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