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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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… Wir hatten unterdessen vier Schwerverwundete hier, die durch den Schneesturm gekommen sind.« Er sah über den Flugplatz und hinüber gegen die schwarzgraue Nachtwand, hinter der Stalingrad lag. »Jetzt, wo der Sturm vorbei ist, werden die anderen Sankas kommen …«
    »Na, dann wollen wir uns mal aufwärmen, was?« Dr. Portner klopfte gegen die linke ausgebeulte Tasche seines Lammfellmantels. »Auch 'ne Pulle Cognac hab' ich abgekriegt. Ich spendiere heute nacht für jeden von uns zwei Gläschen …«
    Er stapfte an Körner vorbei zu seinem Zelt. Der Assistenzarzt blieb stehen und sah noch einmal zurück zum OP-Zelt. Der schwache Lichtschein hing fahl in der Nacht. Dr. Körner biß die Lippen zusammen und ging Dr. Portner nach. Als er eintrat, schraubte der Stabsarzt gerade einen Korkenzieher in den Korken.
    Von der Rückseite des OP-Zeltes löste sich in diesem Augenblick eine andere dunkle Gestalt und glitt zu den Güterwagen hin davon. Sie hatte die ganze Zeit über hinter dem Zelt gestanden und durch einen Ritz des verhängten Fensters die Handlungen und die Unterhaltung im Inneren beobachtet. Nun war alles vorbei … Sigbart Wallritz hatte einen gutsitzenden ›Stuka‹, die Verbände waren blutbeschmiert, und in wenigen Minuten würde Feldwebel Wallritz den ›Verwundeten‹ zu den Wartebaracken bringen und dort abliefern zum Transport in die Heimat.
    Die dunkle Gestalt verhielt hinter einem der Waggons, stellte sich mit dem Rücken gegen den Wind und steckte sich in der hohlen Hand eine Zigarette an. Als das Streichholz aufflammte, glitzerte eine Kette um den Hals der Gestalt, und ein blankes Schild vor der Brust blitzte wie unter einem verirrten Sonnenstrahl.
    Der Feldwebel der Feldgendarmerie Emil Rottmann war sehr zufrieden. Er hatte sich soeben für den Notfall einen Freifahrtschein ins Leben erworben, und er war sicher, daß er ihn einmal präsentieren würde.
    In Stalingrad-Stadt hatten sie sich wieder ineinander verbissen, nachdem der Ausbruch durch den Befehl Hitlers, die Stadt müsse gehalten werden, und er werde die eingeschlossene Armee nicht vergessen, sondern heraushauen, in dem Augenblick abgebrochen worden war, in dem die deutschen Divisionen zu Stoßkeilen formiert bereitstanden und die Aussicht auf einen erfolgreichen Durchbruch größer als je zuvor war. So sehr General v. Seydlitz darauf drängte, entgegen dem Führerbefehl loszumarschieren, so sehr zögerten General Paulus und sein Stabschef, Generalleutnant Schmidt. »Die Politik des Soldaten ist der Gehorsam.« Das war die einzige Verteidigung gegen den Mangel an Eigeninitiative und Mut, die Fesseln eines Wahnsinnsbefehls zu sprengen und 300.000 deutsche Soldaten vor dem sicheren Untergang zu retten. Warum in diesen Stunden nicht alle Generäle sich einmütig gegen diese Doktrin stellten und ihren Oberbefehlshaber zwangen, eine Tat der Vernunft und nicht eine Befolgung des Widersinns zu tun, wird eines der ewigen menschlichen Rätsel von Stalingrad bleiben … rätselhaft wie 1914 jener Rückzug an der Marne, den die Franzosen immer ein ›Wunder‹ nennen werden.
    Die Zweifler auf sowjetischer Seite hatten recht behalten … mit der Kälte aus Kasachstan kam das Treibeis auf die Wolga, und wenn es vordem noch einigermaßen Nachschub gegeben hatte unter dem Feuerhammer der deutschen Artillerie, so kam jetzt alles zum Erliegen. Durch einen Granatvorhang konnte man durchschlüpfen, aber Treibeis ist nicht zu überwinden. Zwar wußte man, daß es nicht lange dauern würde, und Mütterchen Wolga zog sich unter eine dicke Eisdecke zurück … aber das Überbrücken dieser Zwischenzeit war ein Problem, das dem sowjetischen Oberkommando arge Sorgen bereitete.
    Pawel Nikolajewitsch Abranow bekam es deutlich zu spüren. Bei ihm erschien Shuri Andrejewitsch Fulkow, ein unsympathischer glatzköpfiger und spitznasiger Mann, wies sich als Abgesandter des städtischen Verteidigungskomitees aus und sah mit wollüstigen Augen auf die Kohl- und Kartoffelmieten, die Abranow rund um seinen Erdbunker am Wolgaufer angelegt hatte.
    »Ihr seid mir ein Genosse«, begann Fulkow die Offensive gegen Abranow. »In der Stadt lecken sie vereiste Steine ab, und Ihr thront hier auf einem Vorratshaus. Ist das kommunistisch gedacht, Pawel Nikolajewitsch?«
    Abranow, der Greis, blieb taub. Er wies einen großen Zettel vor, und Fulkow las verblüfft, daß die Gründung eines ›Komitees zur Rettung des Elefanten‹ sogar von Marschall Tschuikow gutgeheißen worden

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