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Das Herz der 6. Armee

Das Herz der 6. Armee

Titel: Das Herz der 6. Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zuzuweisen.«
    Stabsarzt Dr. Portner schwieg. Was gab es auch schon zu sagen? Professor Abendroth kannte wie er die Tausende von Verwundeten, die unzureichend versorgt in Erdlöchern und Kellern, Zelten und Baracken herumlagen und – erst schreiend und sich auflehnend gegen das Schicksal, später apathisch und von einem schrecklichen Gleichmut – dem langsamen Krepieren entgegensahen.
    »Noch etwas, Portner«, sagte Generalarzt Professor Abendroth. »Seit gestern berennt der Russe die Front der 8. italienischen Armee am Don. Zwei deutsche Armeegruppen – die Gruppe Hollidt am Tschir und die Gruppe Hoth im Süden – sind seit zwei Tagen im Angriff, um unseren Kessel zu erreichen. Ihre aufgerissene Flanke im Norden, dort, wo die Sowjets bei den Italienern durchbrechen, wird sie zwingen, die Angriffsspitzen wieder zurückzunehmen. Sie wissen, was das heißt.«
    »Ja.« Dr. Portner hob den Blick von der Karte. »Es wird in absehbarer Zeit keine 6. Armee mehr geben.«
    »Damit scheint man bei der Armeeführung zu rechnen.« Professor Abendroth straffte sich etwas. »Wie allen Offizieren der 6. Armee habe ich auch Ihnen einen Befehl durchzugeben: Kein Offizier der 6. Armee geht lebend in sowjetische Gefangenschaft. Er hat sich vorher zu erschießen! Auch für den einfachen Mann ist eine Gefangennahme unehrenhaft!«
    »Jawohl, Herr Generalarzt.« Dr. Portner stand in strammer Haltung vor seinem alten Professor. »Aber ich bin Arzt!«
    »Und Offizier!«
    »Wer zeichnet für diesen Befehl verantwortlich?«
    »Die Armeeführung.«
    »Und Sie, Herr Generalarzt? Das ist eine private Frage.«
    »Ich werde morgen ausgeflogen zur Heeresgruppe. Ich will an Ort und Stelle alles versuchen, damit die Truppe im Kessel das Nötigste bekommt.« Professor Abendroth verlor einen Augenblick die Haltung. Er legte den Arm um die Schulter seines Schülers, wie ein Vater um seinen Sohn. »Machen Sie's gut, Portner. Das ist alles, was ich Ihnen mitgeben kann. Sie werden sich erschießen?«
    »Nein, Herr Generalarzt. Meine gefangenen Kameraden werden mich brauchen. Ich halte nichts von dieser Heldentodgeste. Ich betrachte sie als feiges Davonstehlen aus der Verantwortung.«
    Professor Abendroth nahm den Arm von Portners Schulter.
    »Gott sei mit Ihnen, mein Junge«, sagte er leise. Er konnte nicht weitersprechen. Es klopfte. Eine Ordonnanz brachte die neuesten Funkmeldungen. Abendroth überflog sie und gab sie an den Stabsarzt weiter. »Da, lesen Sie. Einbruch bei der 8. italienischen Armee auf breiter Front. Und ein Funkspruch des Reichsmarschalls Göring an General Paulus: ›Ich habe den Befehl gegeben, alle entbehrlichen Maschinen zur Versorgung Stalingrads einzusetzen. Dazu gehört auch die OKH-Transport-Staffel. In zunehmend stärkerem Maße werden Maschinen von der Afrikafront abgezogen und für die Versorgung des Kessels eingesetzt. Halten Sie durch …‹«
    »Dann kann man also doch Hoffnung haben?« fragte Dr. Portner. Ein Schimmer von Freude kam in seine Augen. Professor Abendroth war geneigt, seinem Schüler wie einem gutgläubigen Kind über die Wangen zu streicheln. Er nahm ein anderes Meldeblatt und las kommentarlos weiter:
    »›Funkspruch der 6. Armee an die Luftflotte Tschir: Trotz herrlichstem Wetter und strahlendem Sonnenschein erfolgte am 17. Dezember nicht die Landung eines einzigen Flugzeuges. Die Armee ersucht um Aufklärung, warum nicht geflogen wird. – Schmid ‹ .«
    Dr. Portner starrte seinen Professor an. »Der siebzehnte Dezember ist heute …«
    »Ja. Sehen Sie aus dem Fenster, Portner. Sehen Sie eine Maschine landen oder abfliegen? Aber wir brauchen täglich dreihundert Tonnen Material, um überhaupt leben zu können!« Professor Abendroth warf die Meldungen auf den Kartentisch. Es war eine Geste völliger Verzweiflung und aufschreiender Ohnmacht. »Vielleicht sehen wir uns wieder, Portner«, sagte er leise.
    »Vielleicht, Herr Professor …«
    Noch einmal drückten sie sich die Hand. Dann verließ Stabsarzt Dr. Portner das Zimmer. Im Vorraum warteten 42 andere Militärärzte. Zu ihnen wollte Abendroth gemeinsam sprechen. Ein älterer Oberstabsarzt kam auf Portner zu, kaum daß er die Tür hinter sich zugezogen hatte.
    »Dicke Luft, was?« fragte der Oberstabsarzt.
    »Ja. Wir werden zurück in die Stadt verlegt.«
    »Wenn's weiter nichts ist!« Der Oberstabsarzt winkte ab. »Immer noch besser in einem ausgebauten Keller, als hier in der Steppe herumzuliegen und die Zelte im Sturm festzuhalten! Ich habe mehr

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