Das Herz der Drachen (Eiswandlerin) (German Edition)
flüsterte
Mai.
„ Ja,
aber wenn du mich mitbringst, wird es ihr klar sein, dass du draußen
warst.“, gab Katelyn ebenso leise zurück.
„ Sie
weiß es sowieso, aber die Wachen stellen mir zu viele Fragen
und außerdem könnte es sein, dass sie dich nicht
reinlassen wollen, und dann gibt es Ärger… darauf habe
ich vor dem Frühstück wirklich keine Lust.“, erklärte
sie und ballte kurz ihre kleinen Hände zu Fäusten.
Sie
waren jetzt in einer schmalen Gasse, die an der Rückseite der
Schutzmauer entlangführte. Auf der anderen Seite waren hohe
Hauswände ohne Fenster, die so dicht beieinander standen, dass
man kaum hindurchgucken konnte. Doch trotz der hohen Mauern links und
rechts, war es nicht dunkel. Im Gegenteil, der Himmel war so
strahlend Blau, dass der Schnee unter ihren Füßen
leuchtete, wie Kristalle.
Während
Katelyn Mai schweigend nachlief und den Schnee betrachtete, fiel ihr
auf, dass Mais Füße kaum Spuren hinterließen, ganz
so als wäre sie federleicht. Sie selbst hingegen sackte bei
jedem Schritt ein paar Zentimeter ein, obwohl Mai nur einen Kopf
kleiner war, wie sie. Katelyn fasste den Entschluss, dass die
Menschen in dieser Welt einfach leichter waren, als in ihrer.
„ Es
ist nicht mehr weit, nur noch da um die Ecke.“, sagte Mai nach
einer Weile und als sie nach links abbogen, sah Katelyn eine
Sackgasse, mit einer niedrigen Tür auf der rechten Seite.
Mai
zog einen kleinen Schlüssel aus einer Innentasche und schloss
die Tür auf.
„ Ich
bin die Einzige, die diesen Weg kennt.“, erklärte sie und
ging voran. Katelyn folgte ihr in einen Flur mit weißen Wänden
und großen Fenstern, unter deren Vorhängen das blaue
Tageslicht hereinfiel. Zwischen allen Fenstern hing der selbe
Wandteppich, mit einem Wappen darauf. Die Decke war hoch gebaut und
als sie sich zu der Tür umdrehte, sah sie nur einen weiteren
Wandteppich.
„ Wehe,
du erzählst es jemandem.“, drohte Mai und gab Katelyn
erneut ein Zeichen, dass diese ihr folgen sollte. Sie liefen den Flur
entlang, vorbei an vielen Türen und weiteren Gängen.
Katelyn fühlte sich wie in einem Labyrinth. Hinzu kam, dass sie
mit jedem Schritt müder wurde und ihre Augen kaum noch offen
halten konnte. Nach etlichen weiteren Gängen blieb Mai endlich
stehen, um an einer Tür zu lauschen, was nicht unbedingt nötig
war, da die Stimmen laut aus dem Zimmer drangen.
„ Mist,
es ist jedes Mal dasselbe.“, schimpfte sie leise vor sich hin.
Katelyn, die zu müde war, um zu antworten, blickte sie nur
fragend an.
„ Jill
regt sich immer gleich auf, wenn ich Nachts ohne ihre Erlaubnis
verschwinde. Am Besten, Kate, lässt du mich alles erklären
und sagst gar nichts.“, schlug Mai vor.
„ Du
hast doch nichts dagegen, wenn ich dich so nenne?“, fügte
sie hinzu.
Ihre
Eltern hatten sie auch nur Kate genannt. Den Namen Katelyn benutzte
sie normalerweise nie, doch die Leiterin des Waisenhauses hatte
darauf bestanden, jeden mit seinem vollen Namen anzusprechen. Es war
Zeit diese Gewohnheit wieder bei Seite zu legen, dachte Kate und
antwortete Mai mit einem einfachen Kopfschütteln. Mai öffnete
die Tür, doch Kate zögerte eine Sekunde, bevor auch sie
über die Schwelle trat.
Obwohl
der Raum nicht sehr groß war, wirkte er sehr geräumig, da
die Decke hier genau so hoch war wie auf den Korridoren. In dem
Zimmer standen zwei Wachen nahe der Tür, sie trugen echte
Schwerter. Eine Frau ging aufgeregt hin und her und redete wild auf
einen Jungen ein, der halb entspannt und halb genervt auf dem Bett
hinter ihr Platz genommen hatte. Er lag mit hinter dem Kopf
verschränkten Armen da und fixierte einen kleinen Fleck an der
Decke über ihm, wobei er durchgehend versuchte, die Frau zu
beruhigen, in dem er ihr versicherte, dass wie immer nichts passiert
sei.
Als
die Mädchen eintraten, verstummten sie und wandten sich zur Tür.
„ MAI!“,
rief die Frau laut. „Wie konntest du dich erneut davon
stehlen.“
Kate
senkte automatisch den Kopf und wünschte sich zum ersten Mal,
sie hätte die Einladung abgelehnt. Besorgt warf sie einen
raschen Blick zu Mai. Diese wirkte alles andere, als eingeschüchtert
oder besorgt. Sie sah die Frau tröstend an, als sei diese ein
Kind, das über ein zerbrochenes Spielzeug weinte. Dann lächelte
sie und ging auf die Frau zu.
„ Ach
komm schon Jill, was soll mir denn passieren. Wenn nicht mal du mich
aufhalten kannst, wie soll dann irgendein Fremder mir etwas antun
können?“, fragte sie und sah Jill beruhigend
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