Das Herz der Drachen (Eiswandlerin) (German Edition)
aus dem Schutz der Bäume treten
konnten.
Noch während
sie ihre restlichen Sachen verstauten, richtete Mai sich blitzschnell
auf und fuhr herum. Sie starrte zwischen die Bäume und rührte
sich nicht.
„ Was ist?“,
fragte Eddy und stand ebenfalls auf. Mai antwortete nicht. Er folgte
ihrem Blick und ging auf den Rand der Lichtung zu. Er wollte selbst
sehen, was sie schon längst bemerkt hatte.
„ Bleib stehen.
Nicht weitergehen.“, sagte Mai ruhig. Doch Kate glaubte zu
wissen, was ihr Verhalten bedeutete. Diese Ruhe erinnerte sie an die
Situation in Mais Schlafzimmer, an den Tag, an dem ihr Exfreund zum
ersten Mal aufgetaucht war. Kate wartete darauf, seine hoch
gewachsene Statur zwischen den Schatten der Bäume zu sehen.
Keiner rührte
sich. Aus den Augenwinkeln sah Kate, wie Teds Hand zum Griff seiner
Waffe wanderte. Er trug sie immer bei sich, ebenso wie sein Bruder
Chris und mit einem Mal wurde sie sich der Gefahr bewusst, die
ständig und überall anwesend war. Die Tatsache, dass sie
jede Nacht Wachen vor den Zelten platziert hatten, machte ihr
erstmals bewusst wie ernst ihre Lage war.
Fast erwartete sie
einen der brennenden Pfeile, die schon einmal ihr Lager zerstört
hatten, auf sich zurasen zu sehen.
Die Zeit war wie
eingefroren und plötzlich tauchten Schatten zwischen den Bäumen
auf. Sie zeigten die Silhouetten zweier Personen, die eine war klein
und stämmig, die Andere hoch gewachsen und dünn.
„ Jeremie.“,
zischte Mai zwischen den Zähnen hervor. Er trat aus der
Dunkelheit hervor, mit eleganten, anmutigen Schritten. In seinen
kurzen, schwarzen Haaren klebten Schneeflocken und er trug einen
blauen Mantel, der ihn noch größer erscheinen ließ.
Ein Mädchen begleitete ihn. Sie hatte kein besonders schönes
Gesicht und war eher unscheinbar. Genauer gesagt, sie passte nicht im
Geringsten zu dem Erscheinungsbild von Jeremie.
„ Wie geht es
dir, Prinzessin?“, fragte er hämisch grinsend. Das Mädchen
lächelte nicht. Sie ließ ihren Blick von Einem zum Anderen
wandern. Ihr Gesicht war konzentriert und leicht angespannt. Die
Augen waren dunkel und getränkt mit reinem Hass. Ihre Abneigung
hätte kaum deutlicher sein können.
„ Was willst du
diesmal?“, fragte Mai und verschränkte die Arme vor der
Brust. Es klang beiläufig, so als wären sie sich durch
Zufall auf der Straße begegnet. Jeremie machte ein paar
Schritte nach vorne. Eddy, der ihm am nächsten stand, bewegte
sich nicht. Nur wenige Meter trennten ihn von dem Feind. Dieser
jedoch interessierte sich nicht annähernd für ihn. Jeremies
Augen fixierten weiterhin Mai. Er kam auf sie zu, ganz so, als hätte
er jeden einzelnen seiner Schritte, wie einen Tanz genau einstudiert
und seine Worte auswendig gelernt.
„ Jedes Mal die
selbe Frage.“, sagte er im Rhythmus seiner Schritte und blieb
dicht vor ihr stehen.
„ Ich bin es
leid, sie dir zu beantworten. Wie wäre es, wenn du mir zur
Abwechslung Mal ein paar Antworten gibst.“, sagte er und strich
beiläufig mit der rechten Hand über ihr Gesicht.
„ Das kannst du
vergessen. Wie hast du es überhaupt geschafft uns zu finden?“,
wollte Mai wissen und stieß ihn zurück. Sonst sprach
niemand. Alle warteten darauf, dass etwas passierte.
„ Oh, ich hatte
Glück.“, lächelte Jeremie. Er hob die Hand und
betrachtete seine Fingerspitzen, mit denen er Mai berührt hatte,
als erwartete er eine Spur von ihr daran zu entdecken.
„ Ohne
Hilfe hätten wir es nie geschafft, das muss ich leider zugeben.
Es war nicht leicht, aber wie der Zufall es so will, haben wir ein
Dorf in dieser Gegend, drei Tage zu Fuß von hier, würde
ich schätzen. Du solltest es dir bei Gelegenheit einmal ansehen.
Es ist nett dort. Leider bekommen wir nur selten Besuch.“
„ Lass
das Gerede.“, fuhr Eddy überraschend dazwischen, doch
Jeremie brachte es nicht aus der Fassung.
„ Du
hast Recht, ich schweife ab. Nun ja, jedenfalls hatte ich einige
Angelegenheiten zu klären, für meinen Vater und an dieser
Stelle kommt unser Glück ins Spiel. Ilona.“, er deutete
auf das Mädchen zu seiner Linken. „Sie brachte mir genau
die Person, die ich brauchte.“
Er schnippte mit den
Fingern und zwei weitere Menschen traten aus dem Wald.
Hinter sich hörte
Kate wie Claire scharf einatmete, als sie Dana erkannten. Ihre Haare
hingen schlaff herunter und ihre Haut war blasser, als zuvor. Ihre
Flügel waren unter der Jacke versteckt, was sie sonst nie
machte. Sie vermied es, ihnen in die Augen zu sehen,
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