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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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fünfundzwanzig. Als die Gendarmen ins Krankenhaus kamen, haben sie mich gefragt, ob Sylvie Simonis am Vortag um 17 Uhr in ihrem Zimmer gewesen sei, und da habe ich Ja gesagt.«
       »Aber so war es nicht?«
       »Ich war in der Tat nicht sicher.«
       »Warum haben Sie das nicht gesagt?«
       Sie schluckte. Ihre Angst verwandelte sich jetzt in einen Ausdruck dumpfer Resignation. Als ob sie seit vierzehn Jahren auf diese Gelegenheit zur Beichte gewartet hätte.
       »Ich war damals im Praktikum. Die Pflegedienstleiterin wachte streng über die Einhaltung der Dienstvorschriften. Um 17 Uhr sollten wir bei den Patienten die Temperatur messen. Wir sollten es persönlich tun und den Wert anschließend in die Krankenakte eintragen.«
       »Aber so verfahren Sie nicht?«
       »Nein. Wir schauen später vorbei, wenn die Patienten ihre Temperatur schon gemessen haben. Wir brauchen nur das Thermometer auf dem Nachttisch abzulesen und die Zahl zu notieren.«
       »Der Patient muss sich also nicht in seinem Zimmer aufhalten?«
       »Genau.«
       »War das bei Sylvie Simonis der Fall?«
       »Ich glaube, ja.«
       »Ja oder nein?«, schrie ich.
       »Ja. Als ich vorbeikam, war sie nicht da. Ich habe den Wert aufgeschrieben und bin gegangen.«
       »Sie wissen nicht, wie lange sie fort war?«
       »Nein. Sie konnte sich frei bewegen. Sie war allein in ihrem Zimmer. Sie hätte mehrere Stunden verschwinden können, ohne dass es jemand bemerkt hätte.«
       Ich schwieg. Sylvie Simonis hatte kein Alibi mehr. Die Krankenschwester versuchte sich zu rechtfertigen:
       »Ich habe gelogen, aber zu diesem Zeitpunkt war das nicht so schlimm. Niemand hatte sie im Verdacht. Diese Tat war so entsetzlich. Sie war doch das Opfer, verstehen Sie?«
       »Sie wissen noch etwas.«
       »Ich …« Sie tastete sich mit den Fingerspitzen das Gesicht ab, als ob sie geschlagen worden wäre. »Es war später. Monate später. Als der Tathergang rekonstruiert wurde.«
       »Mit Patrick Cazeviel?«
       Sie nickte:
       »In den Zeitungen war von einem Brunnen in der Kläranlage die Rede. Und von einem rostigen Gitter, das nicht an seinem Platz gewesen sei. Da fiel mir ein Detail ein. Als die Gendarmen am Abend des Mordes Sylvie den Tod ihrer Tochter mitteilten, hat sie ihre Tasche gepackt. Die Ärzte hatten ihrer Entlassung zugestimmt. Ich habe ihr geholfen. Ihr Regenmantel … Er wies Rostspuren auf.«
       »Hat Sie dieses Detail verwundert?«
       »Die Spuren waren sonderbar. Fadenförmig, verstehen Sie? Und sie schienen frisch zu sein. Als ich den Artikel las, musste ich an das Gitter denken, und es fiel mir wie Schuppen von den Augen.«
       »Weshalb haben Sie damals nicht Ihr Schweigen gebrochen?«
       »Es war zu spät. Und ich … ich konnte mir so etwas Grauenhaftes nicht vorstellen.«
       Ich schwieg. Nathalie Katsafian fuhr fort:
       »Da war noch etwas anderes … Zur gleichen Zeit habe ich ein Gespräch unter den Ärzten belauscht, das sich um die Zyste drehte, an der Sylvie litte. Eine Eierstockzyste. Sie sprachen über einen amerikanischen Film, in dem eine junge Frau durch Einnahme von Östrogenen eine solche Zyste gezielt herbeiführt. Ich … Nun, ich habe mir gesagt, dass es Sylvie ähnlich angestellt und alles von langer Hand geplant haben könnte.«
       »Deutete irgendetwas darauf hin?«
       »Ja. Im Bad ihres Krankenzimmers war mir etwas aufgefallen. Medikamente.«
       »Östrogene?«
       »Ich weiß es nicht.«
       »Worauf wollen Sie hinaus?«
       »Die Blister im Innern … stimmten nicht mit den Angaben auf der Verpackung überein.«
       »Waren es Hormone?«
       »Ich weiß es nicht!«
       Nathalie Katsafian begann zu schluchzen. Die Aussage dieser Frau hätte genügt, um Sylvie Simonis zwanzig Jahre hinter Gitter zu bringen oder in die geschlossene Abteilung einer psychiatrischen Klinik. Ich hatte buchstäblich das Gefühl, grau zu werden. Meine Organe verwandelten sich in Erde, mein Mund füllte sich mit Asche.
       Es zeichnete sich immer deutlicher ab, dass Sylvie Simonis ihr eigenes Kind umgebracht hatte. Es war das gleiche Mosaik, das aus den gleichen Teilen bestand, aber ein völlig anderes Porträt ergab. Eine Medea, wie sie im Buche stand.
       Ich legte meine Hände auf die Schultern der jungen Frau und murmelte ein Gebet. Von ganzem Herzen bat ich Gott den Herrn, ihr den Seelenfrieden, ein Leben ohne

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