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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Dann kehrte ich ins Haus zurück.
       In Sylvies Zimmer verbrauchte ich eine erste Röhre. Ein grüner Lichthof umgab mich. Ich klemmte das Stäbchen zwischen die Zähne und begann mit der Durchsuchung. Möbel, Wände, Parkett. Genauso ergebnislos wie eine Etage höher. Nur ein weiterer Schweißausbruch.
       Ich begann zu zweifeln.
       Ich setzte mich im Schneidersitz hin und zwang mich dazu, über Sylvies Verbrechen nachzudenken. Das Alibi im Krankenhaus. Hatte sie sich wirklich mit Östrogenen vollgepumpt und die Erkrankung gezielt herbeigeführt? Woher kannte sie die Zeiten, zu denen im Krankenhaus bei den Patienten die Temperatur genommen wurde? Das Bild des Teufels, der aus den Uhrzeigern entspringt, kam mir wieder in den Sinn. Dieser Teufel, das war Sylvie selbst, und ihr Alibi war perfekt. Sie hatte sich außerhalb der Zeit gestellt, um ihr Kind zu töten. Sie hatte sich der Abfolge der Stunden entzogen, um das Unsägliche zu begehen.
       Um ihr Alibi abzurunden, hatte sie sich ein letztes Detail ausgedacht: den Anruf des Mörders noch am Abend der Tat im Krankenhaus. Dieser Umstand schien sie logischerweise aus dem Kreis der Verdächtigen auszuschließen. Dabei war der Plan einfach. Nach ihrer Rückkehr von der Kläranlage war sie in die Telefonzelle geschlüpft. Sie hatte die Nummer der Telefonzentrale gewählt, sich selbst zu sprechen verlangt, und während der Anruf durchgestellt wurde, war sie in ihr Zimmer geeilt und hatte den Hörer abgehoben. Schließlich hatte niemand das Gespräch mitgehört …
       Das Lachen von Richard Moraz hallte mir in den Ohren wider: »Glaubst du vielleicht, ich hätte mit meiner Wampe in eine Telefonzelle hineinschlüpfen können?« Nein, ich konnte es mir nicht vorstellen, aber ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass die laut Autopsiebericht 1,63 Meter große und 51 Kilo schwere Sylvie wie ein Gespenst durch das Krankenhaus geisterte.
       An jenem Abend hatte sie auch ihre Schwiegereltern angerufen und ein Diktaphon benutzt, um ihnen die letzte Botschaft zu übermitteln. » Das Mädchen ist im Brunnen … « Wie hatte sie ihre Stimme verstellt? Weshalb hatte sie sich von den Abzählversen des Jura inspirieren lassen? Weshalb dieser künstlerische Gestus in einem Albtraum?
       Das Leuchtstäbchen erlosch. Ich knickte ein anderes. Ich hatte keine Antworten, aber dafür eine Grundüberzeugung. Sylvie Simonis, die archaische Christin, war dem Bösen verfallen. Der Teufel, der Manon im Nacken saß, war sie selbst. Der Teufel, den Thomas Longhini gefürchtet hatte, war Sylvie Simonis. Der Teufel, der im Uhrenhaus herumspukte, war ebenfalls sie. Sofern es sich nicht umgekehrt verhielt und sie dem Einfluss dieses Gebäudes und seiner Legenden erlegen war. Jedenfalls hatte Sylvie Simonis den Satan angebetet und ihre Tochter in seinem Namen geopfert.
       Dieser Kult musste Spuren hinterlassen haben.
       Hier in diesem Haus.
       Im Flur verfuhr ich in gleicher Weise, zerriss Tapeten und inspizierte die Holzdielen. Nichts. Das Badezimmer. Reine Zeitvergeudung. Die beiden Gästezimmer. Ebenfalls Fehlanzeige. Im Erdgeschoss durchstöberte ich die Küche. Nicht die Spur eines Verstecks. Das Esszimmer und seine Möbel im Jura-Stil. Das reine Nichts.
       Rückkehr ins Wohnzimmer. Ich sah auf, und mein Blick blieb auf den beiden Balken hängen, die sich unter dem Dachstuhl, in fünf Metern Höhe, kreuzten. Unerreichbar. Es sei denn, man würde über das Geländer des schmalen Gangs hinwegsteigen …
       Auf dem Steg knickte ich einen weiteren Leuchtstab und wagte mich auf den Mittelbalken vor. Auf allen vieren, eine Hand nach der anderen, schlich ich mich langsam voran und vermied es, in den Abgrund zu blicken. Bei jeder Bewegung nach vorn klopfte ich seitlich gegen die Planken, auf der Suche nach einem Hohlraum. Nichts, natürlich nichts. Aber vielleicht dort, wo sich die beiden Balken kreuzten …
       Ich gelangte an den Schnittpunkt. Ein vertikaler Balken, der in der Vierung verankert war, ragte über das Ganze hinaus. Ich setzte mich rittlings auf eine Bohle und umfasste diesen Mittelpfeiler mit beiden Armen. Ich holte Luft und klopfte dann vorsichtig die Seitenwände ab, auf der Suche nach einer Stelle, die hohl klang.
       Meine Hand hielt inne. Eine Unebenheit, unmittelbar hinter dem vertikalen Balken. Meine Fingernägel glitten in den Spalt hinein und drückten eine Latte hoch. Ich steckte die Hand hinein – eine Blindsuche mit der Wange am

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