Das Herz der Hoelle
Gewissensqualen zu schenken. Ich stand auf und griff nach der Türklinke, als mir noch etwas einfiel.
Ich durchsuchte mein Jackett und zog die Porträtaufnahme von Luc heraus. Die Krankenschwester betrachtete das Foto. Sie begann noch heftiger zu schluchzen.
»O mein Gott …«
»Kennen Sie ihn?«
»Ja, er hat mich aufgesucht und mich ausgefragt«, schluchzte sie.
Das traf mich wie ein Schlag auf den Solarplexus. Es war das erste Mal in dieser verdammten Stadt, dass jemand Luc wiedererkannte.
»Wann genau war das?«
»Ich weiß nicht mehr. Diesen Sommer. Im Juli, glaube ich.«
»Hat er Sie über Sylvie Simonis ausgefragt?«
»Ja … das heißt, nein. Er wusste mehr über den Fall als Sie. Er suchte nach einer Bestätigung. Er hatte gespürt, dass das Krankenhaus-Alibi nicht hieb- und stichfest war. Er sagte, in einem berühmten Fall sei der gleiche Trick schon einmal angewandt worden. Francis Heaulme, glaube ich.«
Genau. Im Mai 1989 war Francis Heaulme von einem Verbrechen an einer Fünfzigjährigen in der Nähe von Brest entlastet worden. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt angeblich im Klinikum Laennec in Quimper. Seine Krankenakte, in der seine Temperaturmessungen verzeichnet waren, bestätigten dies. Später war das Alibi entkräftet worden. Eine Stimme in meinem Innern sagte: »Luc ist ein besserer Polizist als du.«
»Was haben Sie ihm gesagt?«
»Das Gleiche wie Ihnen.«
Ich öffnete die Tür und verdrückte mich.
Ein einziger Gedanke schwirrte mir durch den Kopf.
Luc Soubeyras hatte seinen Teufel in Sartuis gefunden.
Und dieser Teufel hieß Sylvie Simonis.
KAPITEL 48
Ich schüttelte jede Pendeluhr.
Ich betastete, drehte und klopfte gegen jeden Sockel, jeden Mechanismus. Verzierte Gehäuse, goldgeränderte Ziffernblätter, Sanduhren aus lackiertem Holz. Nicht die Spur einer Klappe oder einer verschiebbaren Platte. Ich hatte beschlossen, das Uhrenhaus auf den Kopf zu stellen und dabei jeden Millimeter zu inspizieren. Falls Sylvie Simonis hier den Teufel angebetet hatte, musste dieser Kult Spuren hinterlassen haben.
Als ich die letzte Uhr auf ihr Regal zurückstellte, musste ich mich den Tatsachen beugen. Hier war nichts zu finden. Ich ließ den Blick über das Zimmer hinweggleiten. Vor dem Pult untersuchte ich jedes Instrument, kehrte jedes Brett um, musterte die Unterseiten. Nichts. Ich betrachtete die Latten des Parkettbodens, die Wände. Auch nichts. Keine Drehwand, keine Stelle, die hohl klang.
Ich zog meinen Mantel aus. Ich stürzte die Treppe hinauf, eilte durch den schmalen Gang und erklomm die Treppe zum Dachboden. Sylvies Büro. Ich wollte methodisch vorgehen und jeden Raum durchsuchen, wobei ich oben anfangen und mich dann bis zum Keller und zur Garage hinunterarbeiten würde.
Ich knöpfte mir die Ablagemöbel vor – die Innenseite, die Außenseite – nichts. Ich kniete mich nieder und tastete die Unterseite jedes Blocks ab. Keine Spalte, keine Unebenheit. Die Wände waren mit Stoffbahnen überzogen. Ich schob die Möbel in die Mitte des Raumes, nahm ein Teppichmesser von der Arbeitsplatte und durchtrennte damit das Gewebe. Ich löste jede einzelne Holzplatte ab. Nichts. Ich klopfte an verschiedenen Stellen gegen die Wand und horchte, ob es irgendwo hohl klang. Nichts. Ich wandte mich der Mansardendecke zu, die mit Glaswolle isoliert war. Mit langen Messerschnitten durchbohrte ich die Wand an mehreren Stellen und steckte die Hand hinein. Ich zog Glaswatte heraus, aber sonst nichts. Keine versteckten Gegenstände, keine geheime Öffnung.
Ich riss den Teppichboden ab, stieß die Messerspitze in die Nuten zwischen den Bodendielen und zog sie langsam durch. Nada. Ich drückte gegen jede Latte, in der Hoffnung, eine zu entdecken, die nicht befestigt war. Fehlanzeige. Schweißtriefend stand ich auf und betrachtete den Boden, das von Wollbüscheln, Stoff- und Teppichbodenfetzen bedeckte nackte Holz. War ich auf einer falschen Spur?
Ich ging ein Stockwerk tiefer und musterte im Hinuntergehen jede Stufe. Es wurde dunkel. Ich schaltete meine Taschenlampe an. Die Batterien waren leer. Mist! Da fiel mir ein, dass ich im Kofferraum eine Schachtel Cyalume-Leuchtstäbchen hatte. Ich stürmte die Treppe hinunter und eilte zu meinem Wagen, den ich wieder am Ende der Sackgasse abgestellt hatte. Ich öffnete die Schachtel und stopfte die Stäbchen in meine Taschen.
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