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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Zimmer 238 und drückte die Klinke.
       »Was machen Sie da?«
       Ein Mann im weißen Kittel stand hinter mir. Er fügte in herrischem Tonfall hinzu:
       »Ich bin der diensthabende Arzt. Sind Sie ein Verwandter?«
       Wieder zückte ich meinen Ausweis. Er machte bei Weitem nicht so viel Eindruck wie im Erdgeschoss.
       »Sie können da nicht rein. Es ist vorbei.«
       »Das heißt …?«
       »Es ist eine Frage von Stunden.«
       »Ich muss ihn unbedingt sehen.«
       »Ich sage Ihnen doch, dass er in den letzten Zügen liegt: Haben Sie nicht verstanden?«
       »Hören Sie zu. Selbst wenn er mir nur ein paar Worte sagen kann, ist das für mich überaus wichtig. Jean-Pierre Lamberton besitzt vielleicht den Schlüssel zur Lösung eines Kriminalfalls, an dem er gearbeitet hat.«
       Der Arzt schien zu zögern. Er ging an mir vorbei und öffnete langsam die Tür.
       »Ein paar Minuten«, sagte er, in der Tür stehen bleibend. »Er liegt im Sterben. Der Krebs hat sich im gesamten Körper ausgebreitet. Gestern Nacht ist die Leber geplatzt. Das Blut ist infiziert.«
       Er trat zur Seite und ließ mich hinein. Die Jalousien waren heruntergelassen, das Zimmer war leer – keine Blumen, kein Stuhl, nichts. Nur das verchromte Bett und die Überwachungsgeräte. Mit weißem Klebeband verklebte Kunststoffbeutel hingen an einem Ständer. Der Arzt folgte meinem Blick.
       »Transfusionsbeutel«, flüsterte er. »Wir mussten sie verbergen. Er erträgt den Anblick von Blut nicht mehr.«
       Ich setzte im Halbdunkel langsam einen Fuß vor den anderen. Hinter mir sagte der Spezialist noch:
       »Fünf Minuten. Keine Sekunde mehr. Ich warte draußen auf Sie.«
       Er schloss die Tür. Ich näherte mich. Hinter dem Gewirr von Schläuchen und Bändern lag ein Mann, der matt von den unregelmäßig blinkenden Signallämpchen beschienen wurde. Der Kopf hob sich dunkel von der weißen Fläche des Kissens ab. Die beiden Arme waren nur noch zwei fahle Knochen, während der Bauch unter dem Leintuch geschwollen war wie bei einer Schwangeren.
       Ich ging näher heran. In dem stillen Zimmer knallte ein Gummibeutel, bevor er in einem langen Geräusch des Ausatmens erschlaffte. Ich beugte mich über diesen grauen Kopf, um ihn näher zu betrachten. Er war nicht nur kahl, sondern völlig haarlos. Ein abgeschabter, abgeschliffener, von Strahlen verbrannter Kopf. Wo einmal Gesichtszüge gewesen waren, befanden sich jetzt nur noch Muskeln und Fasern, die die Haut zu einer grauenhaften Totenfratze verzogen.
       Ich war nur noch wenige Zentimeter entfernt. Jetzt begriff ich, weshalb dieser Schädel vom Oberkörper abgetrennt auf dem Stoff zu liegen schien. Der um seinen Hals gewickelte Verband schien mit dem Kopfkissen zu verschmelzen. Chopard hatte von einem Rachen- beziehungsweise Schilddrüsenkrebs gesprochen, ich wusste es nicht mehr. Es wäre unmöglich, diesen Mann zu befragen, selbst wenn er, vollgepumpt mit Morphium, noch bei klarem Verstand wäre. Er hatte vermutlich keine Luftröhre, keinen Kehlkopf und keine Stimmbänder mehr.
       Ich machte einen Satz zurück.
       Er hatte gerade die Augen aufgeschlagen.
       Die Pupillen waren starr, aber sie drückten äußerste Aufmerksamkeit aus. Der rechte Arm ging nach oben und deutete auf ein Headset, das an der medizinischen Apparatur hing. Ein Kabel verband das Objekt mit dem Halsverband. Ein System zur akustischen Verstärkung. Ich setze den Kopfhörer auf.
       »Da kommt der wackre Ritter … auf der Suche nach der Wahrheit …«
       Die Stimme hatte in meinem Kopfhörer widergehallt, aber die Lippen bewegten sich nicht. Der Mann sprach direkt aus dem Bauch.
       »Der Polizist, auf den alle gewartet haben …«
       Seine Worte verblüfften mich. Lamberton hatte in mir den Polizisten gewittert. Und an der Schwelle des Todes verhöhnte er mich ganz offen. Ich fragte mit leiser Stimme:
       »Ich bin von der Pariser Mordkommission. Was können Sie mir über den Mord an Manon sagen?«
       »Den Namen des Täters.«
       »Des Mörders von Manon?«
       Lamberton schloss die Lider, als Zeichen der Bejahung.
       »JA?«
       Die geschlossenen Lippen wisperten:
       »Die Mutter.«
       »Sylvie?«
       »Es ist die Mutter. Sie hat ihre Tochter getötet.«
       Der Halbschatten begann zu zucken. Ein Schauder durchlief mich.
       »Haben Sie das von Anfang an gewusst?«
       »Nein.«
       »Seit wann

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