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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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in der katholischen Glaubenslehre kein Platz, und ich glaubte nicht an ihn.
       Ich ließ meinen Blick über die Wolken wandern. Ein Satz hallte in meinem Kopf wider. LEX EST QUOD FACIMUS. Gesetz ist, was wir tun. Was hatte Agostina damit gemeint? Wer war dieses »wir«, in dessen Namen sie sprach? Die Heerschar der Besessenen? Und was war dieses »Gesetz«? Vielleicht war damit die Regel des Teufels gemeint, wonach alles erlaubt ist. Gesetz ist, was wir tun.
       Ich wiederholte diese Silben innerlich immer wieder, als würde ich eine Sure rezitieren, bis mir die Litanei ihr Geheimnis verriet. Stattdessen schlummerte ich ein, ohne das Aufsetzen auf der Landebahn zu bemerken.

KAPITEL 64
    Rom.
       Endlich vertrautes Gelände.
       20 Uhr. Ich gab dem Taxifahrer die Adresse meines Hotels und sagte ihm genau, wie er fahren sollte. Ich wollte, dass er am Colosseum vorbeifuhr und dann die Via dei Fori Imperiali bis zur Piazza Venezia nahm. Anschließend ging es durch das Labyrinth von Gassen und Kirchen zum Pantheon, wo sich mein Hotel befand, nicht weit vom Französischen Priesterseminar in Rom. Diese Route diente nicht dazu, Zeit zu sparen, sondern dazu, in meine Vergangenheit einzutauchen.
       Rom, meine besten Jahre.
       Die einzigen, die im Zeichen einer relativen Ruhe gestanden hatten.
       Rom war meine Stadt – vielleicht sogar mehr noch als Paris.
       Eine Stadt, in der Raum und Zeit aufs Engste miteinander verwoben waren, so sehr, dass man in ein anderes Jahrhundert versetzt wurde, sobald man die Straßenseite wechselte. Antike Ruinen, Renaissance-Skulpturen, Barock-Fresken, Mussolini-Monumente …
       »Da sind wir.«
       Ich stieg aus dem Taxi, fast überrascht darüber, dass meine Schritte nicht durch eine Soutane behindert wurden. Diese Robe, die ich nur einige Monate in meinem Leben getragen hatte. Jetzt war ich Experte auf dem Gebiet menschlicher Laster, und ich konnte ein Ziel auf hundert Meter treffen. Eine andere Schule.
       Mein Hotel war eine einfache Pension. Ich war schon mehrmals hier abgestiegen, anlässlich meiner ersten Recherchen in der Bibliothek des Vatikans, vor dem Besuch des Seminars. Ich hatte diese Pension ausgewählt, um nicht aufzufallen. Die Killer waren mir nicht nach Catania gefolgt: Sie hatten mich dort erwartet. Aus irgendeinem rätselhaften Grund sahen sie meine Reiserouten voraus. Vielleicht waren sie schon in Rom …
       Theke aus lasiertem Holz, lackierter Regenschirmständer, anämische Lichter: Schon das Foyer der Pension war Programm. Es sprach die universelle Sprache des bürgerlichen Komforts und der wohlmeinenden Schlichtheit … Ich ging hinauf in mein Zimmer.
       Ich hatte mehrere Bekannte in der Römischen Kurie. Einer von ihnen war ein Freund aus dem Priesterseminar. Wir standen noch immer per E-Mail und SMS in loser Verbindung. Gian-Maria Sandrini, ein kleines Genie, das die Päpstliche Akademie als Jahrgangsbester verlassen hatte. Er bekleidete jetzt einen hohen Posten im Staatssekretariat, Abteilung allgemeine Angelegenheiten. Ich wählte seine Nummer.
       »Hier ist Mathieu«, sagte ich auf Französisch. »Mathieu Durey.«
       Der Priester antwortete in der gleichen Sprache:
       »Mathieu? Wolltest du meine Stimme hören?«
       »Ich bin wegen Ermittlungen in einem Kriminalfall hier. Ich muss einen Kardinal treffen.«
       »Wen?«
       »Casimir van Dieterling.«
       Kurzes Schweigen. Van Dieterling schien nicht irgendjemand zu sein.
       »Um was für einen Fall handelt es sich?«
       »Es würde zu lange dauern, dir dies zu erklären. Kannst du mir helfen?«
       »Der ist ein hohes Tier. Ich weiß nicht, ob er Zeit hat …«
       »Wenn er erfährt, in welcher Sache ich ermittle, wird er mich empfangen, glaub mir. Kannst du ihm einen Brief zukommen lassen?«
       »Kein Problem.«
       »Heute Abend.«
       Erneutes Schweigen. Ich spielte meine Rolle als Unglücksrabe.
       »Ich bitte dich nur um diesen Gefallen, weil es wirklich wichtig ist.«
       »Bist du immer noch bei der Mordkommission?«
       »Ja.«
       »Ich versteh nicht, was die Kurie da …«
       »Van Dieterling wird es verstehen.«
       »Ich schicke dir einen Diakon. Ich wäre gern selbst vorbeigekommen, aber wir haben heute Abend eine Besprechung …«
       »Schon in Ordnung. Wir werden uns unter erfreulicheren Umständen wiedersehen.«
       Ich gab ihm die Adresse meines Hotels und machte mich dann an

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